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Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brockmann
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Fundes, gleich nachdem die Standardmaßnahmen der Ermittlung angelaufen sind, zeigen sich die ersten Sonderbarkeiten. Die Spurensicherer kommen, suchen die Umgebung ab, stellen nummerierte Spurentafeln auf, um alles fotografisch festzuhalten, auch für uns, damit wir später den Tathergang rekonstruieren können. Es ist ein sehr kalter Wintertag, das erschwert die Arbeit. Allerdings liefert der Schnee, der auf den Straßen liegt, schon das erste auffällige Detail: Die Reifen des Wagens haben eine deutliche Spur hinterlassen. Sie verläuft merkwürdig, kommt in gerader Linie die Straße herunter und macht dann einen Schwenker nach links bis hin zu einem Metallzaun. Von dort führt sie wieder nach rechts, wo Autos parken. Hier hat der Wagen augenscheinlich den vor ihm parkenden BMW gerammt. Das Taxi ist an der Stoßstange stark eingedrückt, und die vordere linke Radkappe fehlt, sie liegt beim Zaun, der ebenfalls leicht beschädigt ist.
    Und noch etwas macht die Beamten bald stutzig: Zwar fehlt das Portemonnaie mit den Fahrzeugpapieren, aber eine weitere Börse mit Wechselgeld, das Handy und die Armbanduhr des Opfers befinden sich noch im Wagen.
    Wurde der Täter überrascht und floh? Vielleicht. Aber höchstwahrscheinlich ist die Tat nachts geschehen, da sonst zu viele Menschen in der Nähe gewesen wären. Und es melden sich keine Zeugen, die nachts am Wagen vorbeigegangen sind. Aber warum dann? Was wäre das für ein Räuber, der jemanden erschießt, um ihn auszurauben, aber dann nicht alles mitnimmt?
    Am Anfang stehen immer Fragen. Man entdeckt Details, die zu ersten Vermutungen führen, die man wiederum mit weiteren Details verifiziert. So nähert man sich Schritt für Schritt den Antworten, verrennt sich auch mal, aber kommt meist irgendwann ans Ziel. Es gehen viele Hinweise bei der Polizei ein, gerade wenn die öffentliche Aufmerksamkeit sehr hoch ist. Jede Zeugenaussage, jeder Anrufer, jeder Fund am Tatort ist eine Spur, die in eine oder mehrere Richtungen weist. Manchmal sagt der eine Zeuge, er habe eine Frau nach rechts davonlaufen sehen – der andere Zeuge will einen Mann nach links laufen gesehen haben. So können in manchen Fällen mehrere Hundert Spuren zusammenkommen. Um nicht den Überblick zu verlieren, muss die Polizei sehr akribisch arbeiten. Jede einzelne Spur wird in einer Akte festgehalten und erst verworfen, wenn klar ist, dass sie zu nichts führt. Es können sich sehr viele Ordner im Lauf einer Ermittlung füllen. Der Zeitdruck erfordert es allerdings, Prioritäten zu setzen: Welche Ansätze erscheinen besonders vielversprechend? Welche Spuren müssen sofort verfolgt werden?
    Schon bald nach dem Fund berichten die Zeitungen bundesweit vom »Taximord«. Man muss nicht bei der Polizei arbeiten, um einschätzen zu können: Dieser Täter wird wahrscheinlich wieder zuschlagen – die Situation ist brisant.
    Den Ermittlern der Mordkommission erscheint ein Raubmord bisher als plausibelste Variante. Sie wirft viele Fragen auf: War es ein Täter oder mehrere? Warum fehlte nur ein Portemonnaie? Weil der oder die Täter überrascht wurden? Wurde das Opfer zufällig ausgewählt oder gezielt? Haben der oder die Täter bereits zuvor eine solche Tat begangen?
    Andere Tatmotive dürfen jedoch auch nicht ausgeschlossen werden. Hat der Mörder den Taxifahrer vielleicht aus einem anderen Grund erschossen? Und das Geld nur mitgenommen, weil die Börse zufällig in Griffnähe lag? Oder um die Polizei auf eine falsche Fährte zu locken? Kannten Täter und Opfer sich vielleicht?
    Zeugen aus der Umgebung melden sich. Einige berichten, dass sie das Taxi am Vorabend bereits gegen 22 Uhr am Tatort gesehen haben. Jemand sagt, das Warnblinklicht sei eingeschaltet gewesen, ein anderer meint, es sei nicht eingeschaltet gewesen. Ein Taxifahrer sagt, er habe das Opfer zuletzt gegen 22 Uhr an einer S-Bahn-Station dreieinhalb Kilometer vom Tatort gesehen. Eine weitere Zeugin will den Wagen schon am Nachmittag am Tatort gesehen haben, ist sich jedoch nicht ganz sicher. Und dann ist da noch ein junges Mädchen aus einem Wohnheim. Es sah nachts beim Rauchen das Taxi gegen 22:30 Uhr am Tatort stehen. Ein Mann mit dunkler Jacke sei zur gleichen Zeit in der Straße hektisch auf und ab gegangen und schließlich davongelaufen – in Richtung der nächsten S-Bahn-Station.
    Seit wann stand der Wagen nun am Tatort? Seit nachmittags oder nachts? Ein sich auffällig verhaltender Mann im dunklen Anorak: Vielleicht der Täter? War er alleine?

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