Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)
alle Aspekte außer Acht lässt, die seine persönliche Lieblingstheorie schlichtweg widerlegen.
Die Kollegen der Kriminaltechnik haben auf Hochtouren gearbeitet. Die Spuren im Wagen sind analysiert, die Schäden am Auto untersucht worden, und die Gerichtsmediziner haben den Leichnam obduziert. Wir heften die Bilder an die Wand, wir verteilen die Akten. Jeder bekommt seinen Aufgabenbereich. Das Material ist vielfältig und zeigt schnell, dass wir es nicht mit einem gewöhnlichen Raubmord zu tun haben. Doch mit was dann?
Wir werden die Antwort finden, wenn wir die Details aus den Akten miteinander verknüpfen. Eine Tat ist immer eine Abfolge von Aktionen und Reaktionen. Wir müssen herausfinden, welche Handlung zu welchem Ergebnis geführt hat und was durch dieses Ergebnis wiederum ausgelöst wurde. Was hat der Täter getan, was das Opfer? Wenn es uns gelingt, diese Kette so vollständig wie möglich zusammenzufügen, können wir mehr über die Tat und damit über den oder die Täter sagen.
Wir legen los.
Das Opferbild: Karl Burger, 50 Jahre, ein verschlossener Einzelgänger, kaum Kontakt zur Familie, wenig Freunde. Ein Sparfuchs, der zu Hause sein Geld in einem Karton sammelte, aber dennoch immer mal wieder Geldsorgen hatte. Im Taxi benutzte er ein Kellnerportemonnaie zum Abkassieren, das er danach ins Türfach steckte. Die Scheine packte er aus Sicherheitsgründen in eine zweite Börse, die er in der rechten Gesäßtasche trug. Er fuhr häufiger unter Preis. Deshalb und wegen seines verschmutzten Wagens wurde er nicht in den Taxiverband aufgenommen. Bei einem Angriff würde er sich wohl zur Wehr setzen, hat seine Freundin ausgesagt. Einmal hat er das bereits getan, als ein Fahrgast nicht zahlen wollte. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass das Opfer in irgendeiner Form Widerstand geleistet hat.
Der Tatort: Eine nachts wenig befahrene einspurige Seitenstraße in einem gutsituierten Wohngebiet. Ein geeigneter Platz, um jemanden für ein Verbrechen dorthin zu lotsen. Die sonderbare Reifenspur: Das Auto stieß links gegen den Metallzaun, bevor es auf der rechten Straßenseite in die Parkspur bog und auf den anderen Wagen fuhr. Wie kam es zu diesen Zusammenstößen?
Der Wagen: die Schäden an der Stoßstange, und die fehlende Radkappe, die in der Nähe des Zauns lag. Außerdem: der Schalthebel des Taxis stand auf »P«, also im Parkmodus. Wer hat ihn eingelegt? Der Fahrer? Ein Täter? Warum?
Die Spuren der Tötung: Drei Patronenhülsen wurden im Wagen gefunden. Sie werden aus einer Pistole ausgeworfen, wenn die Projektile abgefeuert werden. Die Spuren der Projektile: In der Windschutzscheibe befindet sich die Macke mit dem rosafarbenen Spinnennetz, einige Zentimeter daneben ein Loch in der Scheibe, hier schlug eine Kugel durch. Eine weitere Kugel schlug in den Drehzahlmesser ein, er zeigt 2700 U / min an.
Sonstige Hinweise im Wagen: Das Portemonnaie, das der Fahrer immer zum Abkassieren nahm, steckte noch im Fach der Fahrertür. Auch die Armbanduhr und die beiden Handys des Fahrers blieben bei der Leiche.
Der Leichnam des Opfers: Bei der Obduktion hat die Gerichtsmedizinerin die Verletzungen des Toten untersucht. Es ist eine aufwendige Arbeit und ein Vorgang, der Angehörige oft belastet. Sie haben jemanden durch ein Verbrechen verloren, und dann wird der Körper dieses Menschen noch einmal verletzt, um in einem kargen Klinikraum untersucht zu werden. Aber dieser Eingriff ist unverzichtbar, um einen Mord aufzuklären. So blieb auch hier nichts anderes übrig, als den Schädel des Mannes zu öffnen, sein Gehirn zu entfernen und eine Chromstange durch Ein- und Austrittslöcher zu schieben. Nur so konnte der Verlauf der Schusslinien herausgefunden werden.
Drei Schüsse in den Hinterkopf. Jeder für sich wäre schon tödlich gewesen. Zwei der drei Schüsse liefen nahezu parallel zueinander, die Eintritts- und die Austrittslöcher lagen nur zwei Zentimeter voneinander entfernt. Die Einschüsse lagen hinter dem rechten Ohr, die Kugeln traten an der linken Schläfe aus. Der dritte Schuss verlief von der Schädelmitte zum linken Jochbein.
Das Blut im Wagen gibt uns einen eindeutigen Hinweis. Die Blutspuren des Opfers sind über den ganzen Vorderbereich verteilt. Durch die Kopfschüsse spritzte Blut auch auf die Beifahrertür. Das bedeutet: Auf dem Beifahrersitz saß kein Täter. Denn wenn dort jemand gesessen hätte, wäre ein sogenannter Blutschatten entstanden, das heißt, hinter der Stelle, an der er saß,
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