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Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brockmann
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vernünftiger Räuber würde dafür keinen Zeitpunkt wählen, an dem sein Opfer noch selbst die Kontrolle über das Geschehen hat, weil es auch eine Waffe in den Händen hält: das Lenkrad, das ihm die Macht über das fahrende Auto verleiht.
    Dieser Raubmörder kommt uns sonderbar vor.
    Aber gut. Der Fahrer lenkt den Wagen also absichtlich gegen den Zaun. Danach muss der Wagen irgendwie nach rechts und auf den BMW gefahren sein.
    Der Mann von der DEKRA spricht weiter. Die Geschwindigkeit beim Aufprall gegen den Zaun habe deutlich über 10 Stundenkilometern gelegen. Das ergibt Sinn, der Fahrer wollte wahrscheinlich mit möglichst großer Wucht seinen Angreifer aus der Fassung bringen. Die Aufprallgeschwindigkeit auf den parkenden Wagen lag hingegen unter 10 Stundenkilometern, sonst wäre der Schaden am BMW deutlich größer gewesen.
    Wir diskutieren. Der Fahrer ist in Panik, fährt absichtlich links gegen den Zaun, reißt das Lenkrad nach dem Crash herum nach rechts, kracht auf den BMW , um herausspringen und fliehen zu können? Ja, so könnte es gewesen sein.
    Der DEKRA -Mann blickt noch mal auf seine Notizen. Es gibt ja noch den Drehzahlmesser. Der zeigt 2700 Umdrehungen pro Minute an. Normalerweise wäre er nach Abschalten des Motors auf null gefallen. Aber als eine der tödlichen Kugeln in den Drehzahlmesser krachte, nachdem sie den Kopf des Opfers durchschlagen hatte, fror sie dadurch den Zählerstand zum Zeitpunkt des Schusses ein. 2700 U / min? Diese Drehzahl würde eigentlich darauf hinweisen, dass das Auto fuhr, als die Kugel in ihm einschlug. Es gibt aber eine Alternative, sagt der Experte. Wenn der Motor zwar auf Hochtouren läuft, das Taxi aber nicht vorankommt, weil ein Hindernis im Weg steht. Etwa, weil die Räder im Schnee durchdrehen. Und in der Tat hatten die durchdrehenden Räder des Taxis eine Mulde in den Schnee gegraben.
    So könnte es also geschehen sein: Der Täter zieht seine Waffe. Der entsetzte Fahrer startet ein Notfallmanöver gegen den Zaun und lenkt dann seinen Wagen gegen das andere Auto, um herausspringen zu können. Aber der Täter erschießt ihn, bevor er fliehen kann. Einer der Schüsse durchschlägt dabei den Drehzahlmesser, der in diesem Moment 2700 Umdrehungen anzeigt, denn die Räder des Taxis drehen im Schnee durch, während es gegen den BMW drückt.
    Der Räuber bedroht sein Opfer also, während sich der Wagen noch mitten auf der Straße befindet? Es klingt verrückt.
    Uns wird später bewusst werden, wie zutreffend das Wort ist: verrückt.
    Was geschieht nun?
    Der Schalthebel der Automatik stand im Parkmodus, als der Wagen gefunden wurde. Die Leiche lag darüber. Könnte der absackende Körper des Fahrers den Hebel verschoben haben? Nein, sagt der Experte von der DEKRA . Dafür sind zwei gezielte Bewegungen nötig: Einmal den Schalter nach rechts von der D- in die N-Position und dann runter in P. Das muss absichtlich geschehen sein. Der Fahrer oder der Täter haben den Hebel umgelegt, wahrscheinlich damit die Räder nicht mehr durchdrehen. Der Fahrer? Wohl kaum. Er wäre sicherlich aus dem Wagen gesprungen, um davonzurennen, statt noch korrekt den Schalter auf »P« zu stellen. Also, der Täter.
    Dass er den Fahrer bedroht, bevor der Wagen endgültig angehalten hat, erscheint für einen Räuber zwar absolut irrational, aber zugleich war dieser Täter »von seiner Tat nicht überfordert«, wie man in der Polizeisprache sagt. Nachdem er soeben einen Menschen umgebracht hatte, rannte er nicht panisch davon, sondern war ruhig genug, um den Gang in aller Ruhe in die Parkposition zu stellen, damit der Wagen mit seinen durchdrehenden Reifen keine Aufmerksamkeit erregt.
    Noch eine weitere Information hat der DEKRA -Mann für uns: Die Position, in der der Tote gefunden wurde, lässt sich nicht durch das langsame Auffahren auf den BMW erklären. Der Fahrer wäre vielleicht mit dem Kopf auf das Lenkrad gestoßen, nicht aber so weit nach rechts geschleudert worden. Der Täter muss das Opfer auf die Beifahrerseite gezerrt haben.
    Als Nächstes trägt uns die Gerichtsmedizinerin etwas über die Obduktionsergebnisse und die Blutspuren im Wagen vor. Sie kommt gleich zur Blutlache auf dem Fahrersitz. Sie und ihre Kollegen haben nachgerechnet. Das Ergebnis ist bemerkenswert. Der Mann muss mit seinen Verletzungen ungefähr eine halbe Minute auf dem Fahrersitz gesessen haben, damit so viel Blut auf das Polster kommen konnte. Das heißt, der Mörder hat nach den Schüssen auf sein Opfer noch

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