Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)
hätte kein Blut an die Tür spritzen können. Aber der Blutschatten fehlt. Auch hinter dem Beifahrersitz fanden sich Blutspritzer, auch dort saß folglich niemand. Wir können also die erste Frage schnell beantworten: Höchstwahrscheinlich war es ein Einzeltäter, es sei denn, zwei Täter hätten sich hinter dem Fahrersitz sehr eng aneinandergedrückt. Auffällig ist ebenfalls, dass sich auf dem Fahrersitz eine große Lache gebildet hatte.
Auch die Physiker des LKA haben ihren Beitrag geleistet und die Schmauchspuren untersucht, also die Flecken, die das Schießpulver beim Abfeuern der Waffe am Körper des Opfers und im Fahrzeug hinterlassen hat. Am Wagenhimmel des Autos fanden sich vor allem an der Beifahrerseiten Spuren. Auch an den Kopfstützen war Schmauch.
Schritt für Schritt gehen wir nun die Informationen durch. In der Regel versuchen wir, dort zu starten, wo Täter und Opfer zusammengetroffen sein müssen. Das war mit ziemlicher Sicherheit die S-Bahn-Station, an der Burger wartete. Wurde er hier schon bedroht? Nein. Dann hätte er das Taxameter nicht eingeschaltet. Es beginnt also mit einer alltäglichen Situation: Ein Fahrgast steigt ein, nennt einen Zielort, der Fahrer stellt die Uhr an und fährt los.
Wie ging es weiter? Der Kilometerstand des ausgewerteten Taxameters zeigt, dass Burger den direkten Weg von der S-Bahn-Station zu der Straße nahm, in der er erschossen wurde. Also muss der Gast ein Ziel genannt haben, auf dessen Wegstrecke der Tatort lag. Oder nahm Burger einen Umweg über diese Straße, um den Fahrpreis hochzutreiben, was Auslöser für einen Streit hätte sein können? Unwahrscheinlich. Wir wissen von Burger, dass er immer darüber schimpfte, dass manche Fahrer Umwege nehmen. Er mag ein Eigenbrötler gewesen sein und die Preise gedrückt haben, aber in dieser Hinsicht sei er sehr penibel gewesen, sagen alle, die ihn kannten.
Die Straße lag also sehr wahrscheinlich auf der vom Täter gewählten Strecke. In diese Seitenstraße einzubiegen ergibt aber nur Sinn, wenn man ein Ziel in der Nähe gewählt hat, das haben andere Taxifahrer bestätigt. Sie ist keine Abkürzung, um etwa in einen anderen Stadtteil zu gelangen. Hat also der Täter die Gegend gekannt oder zumindest vorher erkundet? Wahrscheinlich.
Einstieg, das Ziel wird genannt, die Uhr wird angestellt, die Fahrt beginnt. Das Taxi biegt nun in die Straße.
Dort hält der Wagen kurz. Dann gibt er wieder Gas, und es kommt zu dem Fahrmanöver, bei dem der Zaun gerammt wird. Ein zufälliger Unfall? Extrem unwahrscheinlich. Die Spuren weisen nicht darauf hin, dass der Wagen ins Schleudern geriet, sondern führen direkt auf den Zaun zu. Bereits hier muss etwas Außergewöhnliches vorgefallen sein! Nur was? Wurde der Fahrer hier schon erschossen und das führerlose Auto krachte in den Zaun?
Zur Beantwortung dieser Frage haben wir uns Unterstützung von außen geholt. Das Hamburger Landeskriminalamt beschäftigt eine Vielzahl unterschiedlicher Experten. In der technischen und wissenschaftlichen Abteilung arbeiten Physiker, Chemiker, Biologen und Islamwissenschaftler. Manchmal ziehen wir aber auch externe Sachverständige hinzu, etwa Schriftexperten oder Psychiater. Beim Taximord haben wir uns an einen Sachverständigen von der Prüfstelle für Kraftfahrzeuge DEKRA gewandt. Der Mann untersuchte die Schäden am Wagen und am Zaun und inspizierte die Bilder der Reifenspur.
Das Ergebnis, das er uns jetzt im Besprechungsraum vorträgt, ist eindeutig: Dieses Fahrmanöver geschah willentlich. Der Fahrer muss das Lenkrad mit Kraft nach links gerissen haben und nach dem Aufprall am Zaun wieder nach rechts. Er muss noch gelebt haben.
Wir blicken uns fragend an. Warum dieses Manöver?
Eine Erklärung finden wir in den Akten. Ein Taxifahrer hat ausgesagt, dass es informelle »Notfallpläne« gibt, die quasi von Generation zu Generation unter den Fahrern weitergegeben werden. Wenn man bedroht wird: Geld hergeben und davonlaufen. Wenn es während der Fahrt zu einem gefährlichen Streit kommt: Versuchen mit voller Wucht gegen ein Hindernis zu fahren. Burger wurde also mit hoher Wahrscheinlichkeit zu diesem Zeitpunkt bedroht und fuhr darum gegen den Zaun. Unsere Runde im Besprechungszimmer nickt.
Aber warum sollte ein Räuber den Fahrer während der Fahrt bedrohen?
Das scheint absurd. Ein Räuber will mit seiner Waffe die Kontrolle über das Handeln seines Opfers gewinnen, um es dadurch zu zwingen, seine Wertsachen herauszugeben. Ein nur halbwegs
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