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Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brockmann
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Oder ist ein Mittäter in die andere Richtung geflohen?
    Die Taxifahrer aus dem Stadtteil werden befragt. Viele Freunde scheint der Mann unter den Kollegen nicht gehabt zu haben, er war eher ein Einzelgänger. In den Taxifunkverteiler habe man ihn seinerzeit nicht aufgenommen, weil er die Kriterien nicht erfüllte. Er sei auch häufiger unter Tarif gefahren. Es sei vorgekommen, dass er auf dem Warteplatz ganz hinten in der Schlange stand und ein Kunde an den anderen Wagen vorbeiging und bei ihm einstieg, weil bekannt war, dass er den Preis der anderen unterbot. Das macht einen Menschen nicht unbedingt beliebt.
    Liegt hier ein Motiv? Neid oder Rache? Hat es einen Streit mit einem Kollegen gegeben? Gab es sogar eine offene Feindschaft?
    Karl Burgers Lebensgefährtin wird befragt. Sie kennen sich seit einigen Jahren, leben in getrennten Wohnungen. Ihr Freund sei sehr verschlossen gewesen, habe wenig Freunde gehabt. »Aber Feinde? Das kann ich mir nicht vorstellen. Er war immer sehr ruhig und höflich«, sagt sie. Gut, einmal habe ein Fahrgast nicht zahlen wollen, da sei Burger mit ihm zur Polizeiwache gefahren, es habe dabei eine Rangelei gegeben, bei der sich Burger am Fuß verletzt habe. Und mit einem Kollegen habe er sich einmal gestritten, weil der keine Ausländer mitnehmen wollte. Aber eigentlich sei er sehr friedfertig gewesen.
    Finanziell gab es wohl manchmal Probleme. Burger war zwar äußerst sparsam, habe aber dennoch öfters unter Geldmangel gelitten. Zu dem Thema fällt der Freundin noch etwas ein. Es sei nur eine Idee; sie könne es sich zwar nicht wirklich vorstellen und wolle auch niemanden beschuldigen: Ein Bekannter habe Burger Geld für ein neues Taxi geliehen – vielleicht hat Burger es ja nicht zurückgezahlt. »Also, das ist mir nur eingefallen, es muss ja nichts heißen«, sagt sie.
    Ein Streit mit einem Fahrgast? Oder mit einem ausländerfeindlichen Kollegen? Vielleicht Geldprobleme oder Schulden?
    Der Mann, der Burger Geld geliehen hatte, scheint tatsächlich ein Ansatzpunkt zu sein. Die Kollegen besuchen ihn. Aber Burger hat regelmäßig seine Raten gezahlt, und Streit gab es dabei offenbar auch nicht.
    Die Taxifahrer? Für Streitigkeiten unter den Fahrern finden sich keine weiteren Hinweise. Es bleibt dabei: Höchstwahrscheinlich war es ein Raubmord.
    Zwei Wochen später wird ein Tatverdächtiger festgenommen. Der Leiter der Mordkommission besucht uns daraufhin im LKA in unserer Dienststelle »Kriminalpsychologische Einsatz- und Ermittlungsunterstützung« und bittet uns um eine operative Fallanalyse: Wir sollen rekonstruieren, was im Taxi vorgefallen ist. Er betont, dass er das Ergebnis schnell braucht, da die Angst der Bevölkerung sehr groß ist. Er sagt nur, dass jemand verhaftet worden ist, der beharrlich schweigt. Und der Fall sei nun mal etwas sonderbar, auch wenn alles auf Raub als Motiv hinweise. Aber er weiß, so plausibel die kriminalistischen Hypothesen auch sind, so eindeutig die Indizien auch erscheinen: Manchmal zeigen die objektiven Spuren, dass ausgerechnet das Unwahrscheinliche passiert ist.
    Tatspuren können unglaubliche Geschichten erzählen. Ich erinnere mich an den Fall eines homosexuellen Paares, an dem ich vor einigen Jahren mitarbeitete. Ein junger Mann ruft den Notarzt, sein Freund sei an der Wade verletzt, blute entsetzlich. Als der Rettungswagen ankommt, ist es bereits zu spät, der Freund ist verblutet. Ein Messerstich hat seine Hauptschlagader im Bein durchtrennt. Bei der Vernehmung erzählt der Anrufer eine phantastisch klingende Geschichte. Ein ihm unbekannter Mann sei in die Wohnung gekommen, bewaffnet mit einem Messer. Er habe mit seinem Freund im Wohnzimmer gestritten, ihm das Messer ins Bein gerammt und sei wieder geflohen. Die Beschreibung des angeblichen Täters ist vage, der Zeuge fügt allerdings hinzu, dass sein Freund einen anderen Liebhaber namens Peter gehabt habe, der könne es vielleicht gewesen sein. Die Geschichte erscheint den vernehmenden Beamten äußerst unglaubwürdig. Bei einer späteren Vernehmung bleibt der Mann zwar bei seiner Version, verstrickt sich aber immer mehr in Widersprüche. Alles weist daraufhin, dass er selbst zugestochen hat und nun versucht, seine Tat zu verschleiern. Der Mann wird vom Zeugen zum Tatverdächtigen.
    Der Antrag auf U-Haft ist bereits unterschrieben, als sich die ermittelnden Beamten an mich wenden. Ich soll eine Einschätzung abgeben, wie sie die Aussagebereitschaft des Mannes herstellen können, auch wenn

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