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Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brockmann
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ungefähr eine halbe Minute Zeit verstreichen lassen, bevor er es auf den Beifahrersitz zerrte. Hat er sich in dieser Zeit draußen umgesehen?
    Eine halbe Minute ist eine lange Zeit, wenn man gerade einen Menschen erschossen hat und erschrocken ist über die eigene Tat. Nein, da sind wir uns einig, dieser Täter war nicht erschrocken oder entsetzt. Er geriet nicht in Panik, er haderte nicht, sondern ging nach seiner Tat recht überlegt vor.
    Je deutlicher sich das Bild der Tat abzeichnet, desto klarer wird uns, wie wir uns diesen Mörder vorstellen müssen.
    Nun zu den Schüssen. Gleich drei tödliche Schüsse in den Kopf! Bei einem der Einschüsse fand sich eine sogenannte Stanzmarke, eine kreisförmige Spur, die darauf hinweist, dass der Lauf der Waffe beim Schuss am Kopf auflag. Der Täter hielt dem Fahrer die Pistole direkt gegen den Kopf, bevor er abdrückte. Das ist ein Ausdruck von großer Entschlossenheit und Gefühlskälte. Es bedarf weniger Überwindung, einen Menschen zu töten, wenn man Abstand zu ihm hat. Je dichter man an ihm dran ist, desto mehr Hemmungen müssen überwunden werden.
    Dieser Täter muss sehr aggressiv gewesen sein.
    Die Reihenfolge der drei Schüsse kann die Gerichtsmedizinerin nicht genau bestimmen, doch der Ballistiker aus unserer Waffentechnik kann etwas dazu sagen. Er hat das Rätsel des rosafarbenen Spinnennetzes gelöst: Das bizarre Muster entstand, weil der Glasstaub in der gesplitterten Scheibe Blut aufgesaugt hatte. Die Stelle mit dem Spinnennetz kann daher nur von der ersten Kugel stammen, sagt er.
    Warum?
    Es ist kompliziert. Es gab drei Kugeln und drei Einschläge, erklärt er uns. An allen drei Einschlagstellen sind Blutspuren: am Abpraller mit dem Spinnennetz, am Durchschuss durch die Scheibe, am zerstörten Drehzahlmesser. Nur: Die erste Kugel muss eigentlich so schnell durch den Kopf geflogen sein, dass noch gar kein Blut anhaften konnte. Erst durch sie sind die Verletzungen entstanden, die dafür sorgen, dass Blut austrat. Die zweite und die dritte Kugel rissen dann dieses Blut mit. Dort, wo die erste Kugel einschlug, dürften auch keine Blutspuren zu sehen sein.
    Aber wie kam dann Blut an alle drei Einschlagstellen?
    Nun, fährt der Ballistiker fort, der Verlauf der Blutspuren zeige, dass das Blut im Spinnennetz von der Kugel stammt, die dicht daneben die Scheibe durchschlug. Also muss die Reihenfolge der Einschüsse so verlaufen sein: Die erste Kugel prallte von der Scheibe ab, ohne Blut zu verspritzen. Sie hinterließ einen Sprung im Glas. Die zweite riss dann Blut mit und durchschlug die Scheibe dicht neben der ersten. Mit ihr spritzte auch Blut auf die zuvor gesplitterte Stelle und sickerte dort in den Glasstaub ein; das Spinnennetz bildete sich. Die dritte krachte in den Drehzahlmesser.
    So viel wissen wir nun: Der Mörder lotst sein Opfer in eine ruhige Seitengasse, zieht auf der Straße eine Waffe. Der Fahrer versucht, sich durch eine Karambolage zu retten, fährt erst gegen einen Zaun, dann auf den Parkstreifen und rollt dort auf einen anderen Wagen. Bevor er fliehen kann, wird er mit drei Schüssen erschossen. Der Täter lässt ihn eine halbe Minute lang aufrecht sitzen, legt den Parkgang ein und flieht dann mit dem privaten Portemonnaie des Opfers, lässt aber einige Wertgegenstände zurück.
    Um noch genauer zu erfahren, was geschehen ist, verlassen wir nun unser Besprechungszimmer. In den Aufzug und runter in den technischen Bereich. Bei einer Tatrekonstruktion versuchen wir den Ablauf auch nachzuspielen, und das am besten am Originaltatort. Es ist immer gleich: Ein Kollege übernimmt die Rolle des Täters, einer schlüpft in die Rolle des Opfers. Das »Opfer« steigt in einen weißen Anzug, der den ganzen Körper, auch den Kopf, bedeckt. Auf dem Anzug werden mit farbigen Stiften die Verletzungen des Opfers markiert. Beispielsweise rot für einen tiefen Einstich durch ein Messer, blau für einen leichten Schnitt und grün für ein Hämatom, das durch Würgen oder einen festen Handgriff entstanden ist. Dann versuchen wir nachzustellen, wie ein Täter das Opfer angegriffen haben muss, damit diese Verletzungen entstehen konnten.
    Burgers Taxi wurde zur Untersuchung ins Präsidium gebracht, und darum können wir nun das Verbrechen im Originalauto nachspielen. Wir fahren den Wagen vor die Garage. Auf dem Kopf unseres Opferdarstellers sind mit sechs blauen Punkten die Ein- und Austrittsstellen markiert, drei vorne, drei hinten. Er setzt sich so auf den

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