Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brockmann
Vom Netzwerk:
Fahrersitz, dass die ersten beiden Austritte in Richtung der Einschläge auf der Windschutzscheibe weisen. Denn so muss das wirkliche Opfer gesessen haben, als die ersten Schüsse fielen. Der Schütze versucht die Pistole so anzulegen, dass er die Eintrittspunkte am Hinterkopf berührt.
    Unser Täterdarsteller versucht es mit der Pistole in der rechten Hand, aber er kommt nur schwer an die Einschussstellen am Kopf des Opfers. Er versucht es mit der linken: schon besser. Ein Linkshänder? Wahrscheinlich. Er versucht es direkt hinter dem Fahrer sitzend – schwer bis unmöglich. In der Mitte der Rückbank sitzend, den Arm über die Kopfstütze: So muss es gewesen sein. Waffe senkrecht, Waffe waagerecht? Waagerecht!
    Nun gibt er den ersten Schuss ab.
    Der Fahrer ist sofort tot. Unser Kollege lässt sich zusammensacken.
    Nun der zweite Schuss. Der Schütze hält die Mündung an den zweiten blauen Punkt, der dicht neben dem ersten liegt. Jetzt geht es um die Frage: Wann hat der Täter zum zweiten Mal abgedrückt? Wenn unser Schütze wartet, bis das tote Opfer zusammengesackt ist, würde die Kugel unter dem Lenkrad einschlagen, nicht in der Scheibe. Damit die Kugel in der Scheibe einschlägt, müsste er ihn mit einer Hand hochziehen, um ihm noch mal in den Kopf zu schießen. Aber warum sollte er das tun? Und wie soll er mit seinem schwächeren rechten Arm einen schweren Mann hochziehen? Es gibt nur eine Erklärung für den Verlauf des zweiten Schusses: eine Doublette! Also zwei Schüsse, die so rasend schnell aufeinanderfolgen, dass das Opfer erst nach dem zweiten zusammensackt. Der Täter drückt fast in einem Zug zweimal hintereinander ab.
    Es muss ein großer Drang nach Vernichtung in ihm gearbeitet haben!
    Und nun? Wie muss er den Fahrer treffen, damit die dritte Kugel in den Drehzahlmesser einschlägt? Unser Opfer, das sich tot stellt, sackt nach vorne. Der Täter geht ihm sofort hinterher. Die Mündung hinter das rechte Ohr des Opfers gehalten. Schuss!
    Es ist ein sonderbares Gefühl, in die Rollen von Opfer oder Täter zu schlüpfen, manchmal kann man dadurch sogar einen Hauch von der Aggression oder der Panik der wirklichen Beteiligten erahnen. Zwar geht es uns darum nicht, da wir uns nur auf die Fakten konzentrieren wollen. Allerdings hinterlässt das Rollenspiel immer einen Eindruck von der Tat. Einmal spielte ich das Opfer, als wir den Fluchtweg eines Mordopfers nachstellten. Ich rannte davon und der Kollege, der den Täter spielte, hinterher. Er hatte als Messerersatz einen Farbstift in der Hand. Ich versuchte zu rennen, so schnell ich konnte. Und mein Verfolger stieß auf der Hetzjagd den Stift immer wieder in meinen Rücken, um nachzustellen, wie lange er sein Opfer getrieben haben musste, um ihm so viele Stichwunden zuzufügen. In diesem Moment erlebte ich am eigenen Leib, wie hilflos ein Mensch sich fühlen muss, wenn er von einem Mann mit einem Messer verfolgt wird.
    Nun spielen wir die Schüsse im Taxi noch einmal durch. Ich stehe mit verschränkten Armen neben dem Wagen. Schon beim Zuschauen wird deutlich, wie hoch die Gewaltbereitschaft dieses Mörders gewesen sein muss; wie gezielt und entschlossen er vorging. Nicht nur ein Schuss aus der Distanz. Nein, zwei, dicht am Kopf, rasch hintereinander! Das Opfer sackt sofort tot zusammen, aber der Mörder lässt nicht von ihm ab, sondern er muss diesem Menschen sofort noch einmal in den Kopf schießen.
    Wir halten kurz inne. Eine solche Aggression gegenüber einem Menschen, den man nicht kennt, der einem nichts getan haben kann? Nur weil man sein Geld bekommen will? Schwer vorstellbar. Es muss etwas anderes dahinterstecken.
    Aber weiter. Das Opfer ist nun tot. Wie kommt es in die sonderbare Endposition? Egal, wie sich unser Opferdarsteller zusammensacken lässt: Er kippt nicht so weit auf den Beifahrersitz. Nach ein wenig Schieben und Zerren ist klar: Der Täter muss ausgestiegen sein, die Beifahrerseite geöffnet haben und sein Opfer rübergezogen haben.
    Dabei wird noch etwas anderes deutlich: Erst jetzt ist überhaupt das Portemonnaie in der Gesäßtasche des Fahrers sichtbar. Hat der Täter den Fahrer herübergezerrt, um sein Opfer zu durchsuchen? Dann hätte er auch die Uhr gesehen und in den Hosentaschen die Handys entdeckt. Auch das zweite, prallere Portemonnaie im Seitenfach wäre schnell zu finden gewesen. Nichts davon hat er angerührt.
    Nein. Geld war nicht sein Ziel. Es ging ihm offenbar darum, dass der tote Fahrer nicht entdeckt wird, deshalb hat

Weitere Kostenlose Bücher