Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Ludwigs fähiger Finanzminister Jean Baptiste Colbert beaufsichtigte zudem die Entwicklung der von der Regierung geförderten und kontrollierten Industrie, die ein extraktives Wachstum hervorbrachte. Es kam allerdings fast ausschließlich dem Ersten und dem Zweiten Stand zugute. Ludwig XIV. plante auch, das französische Steuersystem auszuweiten, denn dem Staat fiel es manchmal schwer, seine häufigen Kriege, sein großes stehendes Heer und das umfangreiche Gefolge, den Konsum und die Paläste des Königs zu finanzieren. Durch die Unfähigkeit, auch nur Kleinadlige zu besteuern, wurden die Staatseinnahmen stark beeinträchtigt.
Zur Zeit der Thronbesteigung Ludwigs XVI. im Jahr 1774 war das Wirtschaftswachstum gering, und es hatten sich bedeutende Änderungen in der Gesellschaft abgespielt. Außerdem hatten sich die früheren Finanzprobleme zu einer Haushaltskrise gesteigert, und der Siebenjährige Krieg zwischen 1756 und 1763 mit den Briten, in dem Frankreich Kanada verloren hatte, war besonders kostspielig gewesen. Mehrere angesehene Personen versuchten, den königlichen Haushalt durch Umschuldung und Steuererhöhungen auszugleichen. Unter ihnen waren Anne-Robert-Jacques Turgot, einer der berühmtesten Ökonomen jener Zeit, Jacques Necker, der auch nach der Revolution eine wichtige Rolle spielen sollte, und Charles Alexandre de Calonne. Doch keiner von ihnen hatte Erfolg.
Calonne überredete Ludwig XVI., die Notabelnversammlung einzuberufen. Der König und seine Berater erwarteten, dass die Versammlung die Reformen absegnen werde, ähnlich wie Karl I. 1640 damit gerechnet hatte, dass das englische Parlament der Finanzierung eines Heeres zum Kampf gegen die Schotten zustimmen werde. Aber die Versammlung verfügte überraschend, dass nur ein repräsentatives Organ, nämlich die États généraux, solche Reformen verabschieden könne.
Die États généraux unterschieden sich erheblich von der Notabelnversammlung. Während die Letztere aus Adligen bestand, die weitgehend von der Krone ausgewählt wurden, waren in den Ersteren alle drei Stände vertreten. Sie waren zum letzten Mal 1614 einberufen worden. Als sie 1789 in Versailles tagten, wurde sofort deutlich, dass keine Übereinstimmung zu erzielen war. Der Dritte Stand sah die Zusammenkunft als Chance, seine politische Macht zu vergrößern und sich mehr Stimmen in den États généraux zu verschaffen, was Adel und Klerus beharrlich ablehnten. Die Tagungen endeten am 5. Mai 1789 ergebnislos, abgesehen von der Entscheidung, ein wichtigeres Organ, nämlich die Nationalversammlung, zusammentreten zu lassen. Der Dritte Stand – besonders die Händler, Geschäftsleute, Hochschulabsolventen und Handwerker – hielt dies für ein Zeichen seines wachsenden Einflusses. Deshalb verlangte er in der Nationalversammlung eine erweiterte Mitsprache und überhaupt mehr Rechte. Da er überall im Land auf den Straßen von hoffnungsvollen Bürgern unterstützt wurde, kam es am 9. Juli zur Wiederherstellung des Organs in Form der Gesetzgebenden Nationalversammlung.
Unterdessen radikalisierte sich die Stimmung im Land, besonders in Paris. Daraufhin wurde Ludwig XVI. von den ihn umgebenden konservativen Kreisen überredet, den reformistischen Finanzminister Necker zu entlassen. Danach verschärften sich die Unruhen auf den Straßen, und am 14. Juli 1789 fand der berühmte Sturm auf die Bastille statt. Nun begann die Revolution allen Ernstes. Necker wurde wiedereingesetzt, und der revolutionär gesinnte Marquis de Lafayette übernahm die Leitung der Nationalgarde von Paris.
Noch erstaunlicher als die Erstürmung der Bastille war die Dynamik der Verfassunggebenden Nationalversammlung, die am 4. August 1789 mit erhöhtem Selbstvertrauen das Feudalwesen und die Sonderrechte des Ersten und Zweiten Standes abschaffte. Allerdings kam es innerhalb der Versammlung zu Spaltungen, da es zu viele unterschiedliche Meinungen über die künftige Gestalt der Gesellschaft gab.
Der erste Schritt war die Bildung lokaler Vereine, vornehmlich des radikalen Jakobinerclubs, der sich später an die Spitze der Revolution setzen sollte. Gleichzeitig verließen immer mehr Adlige, die sogenannten Emigrés, das Land. Viele drängten den König, mit der Versammlung zu brechen und Maßnahmen gegen die Revolutionäre zu ergreifen – entweder allein oder mit Hilfe ausländischer Mächte wie Österreich, der Heimat von Königin Marie Antoinette (wohin die meisten Emigrés geflüchtet waren). Da man die
Weitere Kostenlose Bücher