Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
mussten überwunden werden, doch die Franzosen hatten anderen Ländern eine wichtige Innovation voraus: die Massenwehrpflicht. Sie wurde im August 1793 eingeführt und gestattete den Franzosen, riesige Heere aufzubieten und eine enorme Überlegenheit zu entwickeln, noch bevor Napoleon mit seinen berühmten militärischen Fähigkeiten die Bühne betrat.
Die militärischen Erfolge inspirierten die Führer der Republik, die französischen Grenzen auszuweiten, um eine Pufferzone zwischen dem neuen Staat und den feindlichen Monarchien Preußen und Österreich herzustellen. Die Franzosen besetzten rasch die Österreichischen Niederlande sowie die Vereinigten Provinzen, die im Wesentlichen dem heutigen Belgien und den heutigen Niederlanden entsprachen. Außerdem eroberten sie große Bereiche der gegenwärtigen Schweiz. In allen drei Gebieten konnten sie sich die 1790er Jahre hindurch mühelos behaupten.
Deutschland war zunächst heiß umkämpft, doch bis 1795 bekamen die Franzosen das Rheinland fest in den Griff, und die Preußen waren gezwungen, diese Tatsache im Vertrag von Basel anzuerkennen. Zwischen 1795 und 1802 okkupierten die Franzosen das Rheinland, allerdings keinen anderen Teil Deutschlands, um es ihrem Staat 1802 dann offiziell anzugliedern.
Italien blieb in der zweiten Hälfte der 1790er Jahre der Hauptkriegsschauplatz für Franzosen und Österreicher. Savoyen wurde 1792 von Frankreich annektiert, und bis zu Napoleons Einmarsch im April 1796 bestand eine Pattsituation. In seinem ersten großen europäischen Feldzug eroberte Napoleon bis Anfang 1797 fast ganz Norditalien – mit Ausnahme von Venedig, das an die Österreicher fiel. Mit dem Vertrag von Campo Formio, den die Österreicher im Oktober 1797 unterzeichneten, endete der Erste Koalitionskrieg. Außerdem wurde durch den Vertrag die Herrschaft Frankreichs über eine Reihe von Republiken in Norditalien anerkannt. Gleichwohl setzten die Franzosen ihre Expansion in Italien fort, indem sie im März 1798 in den Kirchenstaat einmarschierten und die Römische Republik gründeten. Im Januar 1799 wurde Neapel erobert und die Parthenopäische Republik errichtet. Mit Ausnahme von Venedig, das in österreichischer Hand blieb, kontrollierten die Franzosen nun die gesamte italienische Halbinsel entweder direkt, wie im Fall Savoyen, oder durch Satellitenstaaten wie die Cisalpinische, die Ligurische, die Römische und die Parthenopäische Republik.
Im Zweiten Koalitionskrieg zwischen 1798 und 1801 verschoben sich die Machtverhältnisse, doch an seinem Ende hatten die Franzosen weiterhin die Oberhand. Die Revolutionsheere führten in den eroberten Ländern radikale Reformen durch, indem sie die letzten Überreste der Leibeigenschaft und der Feudalbeziehungen abschafften und die Gleichheit vor dem Gesetz realisierten. Der Klerus verlor seinen Sonderstatus und seine extreme Macht, und die städtischen Zünfte wurden aufgelöst oder zumindest erheblich geschwächt. Dies geschah in den Österreichischen Niederlanden unmittelbar nach der französischen Eroberung von 1794 sowie in den Vereinigten Provinzen, wo die Franzosen die Batavische Republik gründeten. In beiden Fällen hatten die politischen Institutionen vieles mit denen in Frankreich gemeinsam. In der Schweiz entwickelte sich eine ähnliche Situation, denn die Zünfte sowie die Feudalherren und die Kirche wurden besiegt und die Feudalprivilegien aufgehoben sowie die Zünfte enteignet. Was die französischen Revolutionsheere begonnen hatten, wurde in der einen oder anderen Form von Napoleon fortgesetzt. Er war in erster Linie daran interessiert, die von ihm eroberten Territorien fest im Griff zu haben. Dazu musste er zuweilen Absprachen mit den lokalen Eliten treffen oder seinen Angehörigen und seinen Mitarbeitern die Verantwortung übertragen, was er während seiner kurzen Herrschaft über Spanien und Polen tat. Aber Napoleon wünschte sich aufrichtig, die Reformen der Revolution fortzuführen und zu vertiefen. Vor allem kodifizierte er das römische Recht und die Idee der Gleichheit vor dem Gesetz zu einem juristischen System, das als Code Napoléon bekannt wurde. Dieses Gesetzbuch hielt Napoleon für sein größtes Vermächtnis, und er beabsichtigte, es in all seinen Territorien einzuführen.
Natürlich waren die Reformen, die durch die Französische Revolution und Napoleon eingeleitet wurden, nicht unumkehrbar. Hier und dort, etwa in Hannover, wurden die alten Eliten kurz nach Napoleons Sturz wieder an die
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