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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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vor Rhodes geschützt hatten und auch vor der britischen indirekten Herrschaft schützen würden. Im 19. Jahrhundert hatten die Tswana-Staaten einen Kern politischer Institutionen entwickelt. Diese verfügten, nach den Maßstäben des subsaharischen Afrika, über einen ungewöhnlichen Grad an politischer Zentralisierung und an kollektiven Entscheidungsprozessen, den man als aufkeimende, primitive Form des Pluralismus bezeichnen könnte. Wie die Magna Carta die Beteiligung der Barone am politischen Entscheidungsprozess ermöglicht und die Handlungen der englischen Monarchen eingeschränkt hatte, förderten die politischen Institutionen der Tswana, insbesondere die kgotla , die politische Partizipation und setzten den Chiefs Grenzen. Der südafrikanische Anthropologe Isaac Schapera beschreibt, wie die kgotla funktionierte:
    Alle Angelegenheiten der Stammesstrategie werden abschließend vor einer allgemeinen Versammlung der erwachsenen Männer in der kgotla (Ratsort) des Häuptlings besprochen. Solche Treffen finden sehr häufig statt … Zu den Themen … gehören Stammesdispute, Streitigkeiten zwischen dem Häuptling und seinen Verwandten, die Erhebung neuer Abgaben, die Ausführung neuer öffentlicher Arbeiten, die Verkündung neuer Erlasse durch den Häuptling … Es kommt durchaus vor, dass die Stammesversammlung den Wünschen des Chiefs widerspricht. Denn jeder kann das Wort ergreifen, was dem Chief ermöglicht, die allgemeine Stimmung abzuschätzen, und was den Stammesmitgliedern eine Gelegenheit zum Vortragen ihrer Beschwerden gibt. Wenn der Anlass es erfordert, können der Chief und seine Berater scharf zur Rede gestellt werden, denn die Menschen fürchten sich selten, offen und freimütig zu sprechen.
    Die Chieftaincy der Tswana war nicht strikt erblich, sondern jedem Mann zugänglich, der genug Talent und Fähigkeiten nachweisen konnte. Der Anthropologe John Cormaroff beschäftigte sich gründlich mit der politischen Geschichte eines anderen Tswana-Staats, jenes der Rolong. Wie er aufzeigt, hatten die Tswana offenbar klare Vorschriften für die Vererbung der Chieftaincy, doch in der Praxis dienten die Vorschriften dazu, schlechte Herrscher zu entfernen und begabte Kandidaten zum Chief aufrücken zu lassen. Das Erringen dieser Position war eine außerordentliche Leistung, die dann so interpretiert wurde, als wäre der erfolgreiche Kandidat der rechtmäßige Erbe gewesen. Die Tswana fassten den Sachverhalt in einem Sprichwort zusammen, das an eine konstitutionelle Monarchie denken lässt: kgosi ke kgosi ka morafe , »Der König ist König durch Volkes Gnaden.«
    Auch nach ihrer Reise nach London setzten die Tswana-Chiefs ihre Bemühungen fort, ihre Unabhängigkeit von Großbritannien aufrechtzuerhalten und ihre indigenen Institutionen zu bewahren. Sie gestatteten den Bau von Eisenbahnlinien in Bechuanaland, schränkten die Interventionen der Briten in anderen Bereichen des wirtschaftlichen und politischen Lebens jedoch ein. Wenn sie Einwände gegen den Eisenbahnbau hatten, dann jedenfalls nicht aus den gleichen Gründen wie die österreichisch-ungarischen und die russischen Monarchen. Aber sie begriffen, dass der Bahnbau die Entwicklung von Bechuanaland genauso wenig wie jede andere Maßnahme der Briten begünstigen würde, solange das Land der kolonialen Kontrolle unterlag.
    Die frühen Erfahrungen von Quett Masire, dem Präsidenten des unabhängigen Botswana von 1980 bis 1998, erklären ihre Haltung. Masire war in den 1950er Jahren ein geschäftstüchtiger Bauer gewesen, der neue Anbaumethoden für Sorghum entwickelte und einen potentiellen Abnehmer in Vryburg Milling fand, einer jenseits der Grenze in Südafrika ansässigen Firma. Er suchte den Bahnhofsvorsteher in Lobatse in Bechuanaland auf, um zwei Eisenbahnwaggons zu mieten und seine Ernte zu Vryburg Milling befördern zu lassen. Der Mann weigerte sich, woraufhin Masire einen weißen Freund um Hilfe bat. Nun gab der Bahnhofsvorsteher widerwillig sein Einverständnis, verlangte jedoch einen viermal so hohen Preis wie für Weiße. Masire kam resignierend zu dem Schluss: »Nicht nur die Gesetze, die Afrikanern verboten, Grundstücke zu besitzen oder Handelslizenzen zu erwerben, sondern in erster Linie die Praktiken der Weißen hinderten die Schwarzen daran, Unternehmen in Bechuanaland aufzubauen.«
    Alles in allem hatten die Chiefs – und das Tswana-Volk – Glück gehabt. Gegen alle Erwartungen schafften sie es, die Übernahme durch Rhodes zu

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