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Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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fünfunddreißig Jahre alt und sieht mit seinem schütteren dunkelbraunen Haar fast europäisch aus. Abu Saeed erklärt ihm, ich sei Arzt, zeigt ihm die Einladung des irakischen Innenministeriums, die Pässe, redet und redet, aber der Geheimdienstmann lacht nur.
    Auch er glaubt Abu Saeed kein Wort. »Ein Deutscher im August in der Provinz Anbar?« Eine seltsamere Geschichte habe er noch nie gehört. Aber zurückschicken kann er mich ja auch nicht. Und so gibt auch er uns irgendwann die Pässe zurück.
    Er habe da noch eine kleine Bitte, fügt er lächelnd hinzu. Einer seiner Beamten habe starke Halsschmerzen, ob ich
ihn mir kurz einmal ansehen könne – wenn ich schon hier sei. »Dumm gelaufen«, denke ich und nehme mir fest vor, den Mann, wenn es ihm wirklich schlecht geht, sofort in ein Krankenhaus zu überweisen.
    Wir werden in einen kleinen Raum geführt, in dem es sehr heiß, aber auch sehr zugig ist. Nach einer Weile kommt ein korpulenter, etwa fünfundzwanzig Jahre alter Syrer mit kurz geschorenem Kopf in den Raum. Er deutet auf seinen Hals. »Aufmachen«, sage ich und zeige auf seinen Mund. Folgsam öffnet er den Mund sperrangelweit. Mit einem kleinen Lineal drücke ich seine Zunge herunter und sehe, dass der Rachen entzündet und weiß belegt ist. Er hat eine Halsentzündung, sonst nichts.
    Ich erinnere mich an die Hausmittel, die mir meine Mutter bei Halsschmerzen gab. »Alle zwei Stunden mit Meersalz gurgeln«, verordne ich. »Mit was?«, fragt der Mann entgeistert, nachdem ihm Abu Saeed meine Diagnose und meine Therapie übersetzt hat. »Meersalz? Hier gibt es doch kein Meersalz«, erwidert er verwirrt.
    »Wenn Sie in der Apotheke kein Meersalz finden, lösen Sie vor dem Schlafengehen eine Aspirin in Wasser auf. Kräftig gurgeln, gurgeln und nochmals gurgeln – und dann runterschlucken! Das hilft sogar bei Zahnfleischentzündungen«, erkläre ich.
    Obwohl der Mann keine Zahnfleischentzündung hat, nickt er dankbar. »Und machen Sie immer die Tür zu«, sage ich ihm zum Abschluss. »In Ihrem Büro zieht es wie Hechtsuppe, da wird jeder krank.«
    Der korpulente Syrer umarmt mich dankbar. »Schukran – danke schön«, sagt er nochmals. Ich aber danke meiner Mutter im Himmel, dass sie für jedes meiner Wehwehchen immer ein gutes Hausmittel hatte. »Yallah!«, mahnt Abu Saeed zur Eile. Er findet seine Idee, meinen Dr. jur. als Dr. med. zu verkaufen, inzwischen nicht mehr so gut.

    Hanan
    Erleichtert fahren wir Richtung Damaskus. Keiner redet, alle sind schweigsam. Musa, unser Fahrer, verliert ohnehin nie ein Wort. Ich frage ihn, warum er nie etwas sage. Musa schaut konzentriert auf die Straße und schweigt. Dann sagt er leise: »Ich habe früher auch gerne aus meinem Leben erzählt, damals, als ich noch Fahrer bei der Polizei in Bagdad war. Dann kamen der Krieg und das Elend. Wenn ich darüber spreche, bricht alles wieder auf.
    Ich hatte in Bagdad eine Tante, ihr Name war Hanan. Ihr Mann ist früh verstorben. Obwohl sie eine kleine, aber sehr schöne Frau war, hat sie nie mehr geheiratet und lange getrauert. Irgendwann hat sie beschlossen, ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben. Von diesem Tag an hat sie angefangen, für die großen Familien ihrer beiden jüngeren Brüder Salim und Jamil zu arbeiten.
    Morgens um sechs Uhr fing sie bei Salims neunköpfiger Familie an zu waschen, zu bügeln und zu kochen. Alles musste blitzsauber und picobello sein. Nachmittags ging sie zu der zwölfköpfigen Familie Jamils, um dort das Gleiche zu tun. Sie hat immer gearbeitet, sich kaum eine Pause gegönnt. Keine Arbeit war ihr zu viel.
    Mit den Jahren hat man ihr die harte Arbeit angesehen. Sie sah gegerbt und runzelig aus wie die alten Frauen, die auf den Märkten Bagdads Obst und Gemüse verkaufen. Aber ihr faltiges Gesicht strahlte so viel Liebe aus, dass jeder sie mochte.
    Ihr ganzes Glück bestand darin, den Frauen ihrer Brüder Arbeit abzunehmen und mitzuhelfen, deren Familien glücklich zu machen. Abends las sie den Kindern und später den Enkeln Geschichten vor oder erzählte ihnen etwas aus ihrer Kindheit. Sie war sehr glücklich, weil sie nun statt einer Familie zwei hatte.

    Eines Tages im Herbst 2006 – Hanan war damals bereits über sechzig Jahre alt und bereits etwas gebeugt – war sie in der Stadt unterwegs, um für ihre beiden Familien einzukaufen. Plötzlich kam es in dem Viertel, in dem ihre Brüder wohnten, zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Amerikanern und Widerstandskämpfern.
    Die

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