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Warum unsere Kinder Tyrannen werden

Titel: Warum unsere Kinder Tyrannen werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winterhoff
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heute zur Regel geworden. Bedenkt man dann Untersuchungen, die gezeigt haben, dass ein fünfjähriges Kind prinzipiell in der Lage ist, nach einem Umzug in ein fremdes Land die neue Sprache innerhalb eines halben Jahres akzentfrei zu sprechen, wird die Dramatik dieser Entwicklungen zusätzlich bewusst.
    Neben den genannten Entwicklungsverzögerungen ist besonders auch das Feld der Sauberkeitserziehung markant, weil es mit der Fähigkeit, die Körperausscheidungen zu kontrollieren, einen wichtigen Bestandteil kindlicher Entwicklung beinhaltet. Würde ein Kindergarten es heute noch als wirklich relevant erachten, dass neue Kinder trocken sind, hätte er wohl ein ernsthaftes Akzeptanzproblem.
    Im Schulalter kommen schließlich Schwierigkeiten im Lern- und Leistungsverhalten hinzu. Bereits Grundschüler sind notorisch unaufmerksam und haben enorme Schwierigkeiten, sich auch nur kurze Zeit auf eine gestellte Aufgabe zu konzentrieren und sich Lerninhalte über einen längeren Zeitraum hinweg zu merken und in anderem Kontext wieder anzuwenden.
    Das Sozialverhalten vieler Kinder ist hochproblematisch. Sie sind in ihrer Umgebung wirklich kleine Tyrannen, sie treten Gleichaltrigen gegenüber körperlich und verbal extrem aggressiv auf und sind nicht ansatzweise in der Lage, sich in eine Gruppe zu integrieren.
    Doch nicht nur gegenüber anderen Kindern und Jugendlichen zeigen diese Kinder problematisches Verhalten, auch die eigenen Eltern und Großeltern sowie ständig in die Erziehung
eingebundene Personen wie Erzieherinnen oder Lehrer stellen für sie keine Begrenzung ihres Egoismus dar. Um zu zeigen, welche konkreten Auswirkungen das haben kann, will ich hier den Fall von Claudia präsentieren, Tochter einer Familie in geordneten Verhältnissen. Sie geht seit knapp zwei Jahren in einen Kindergarten in der Nähe der elterlichen Wohnung.

Claudia
    Claudia ist fünf Jahre alt, sie wird in der Regel von ihrer Mutter morgens in den Städtischen Kindergarten gebracht und mittags wieder abgeholt.
    Eines Tages spielt sich folgendes Szenario ab: Claudias Mutter kommt mittags zum Kindergarten, um ihre Tochter zu holen. Ihr erster Weg führt zur Erzieherin, um sich zu erkundigen, ob sie rechtzeitig da sei. Claudia hat sich nämlich bereits zweimal beim Kindergarten-Personal über zu spätes Abholen beschwert. Doch die Erzieherin kann die Mutter beruhigen: Claudia befindet sich noch im Gruppenraum, aus dieser Richtung droht also kein Ungemach.
    Die Tür öffnet sich, Claudia kommt als eines der ersten Kinder aus dem Gruppenraum gestürzt und entdeckt sofort zu ihrer erkennbaren Freude, dass ihre Mutter bereits eingetroffen ist. Sofort entspinnt sich ein Spiel: Claudia läuft auf die Mutter zu und hält ihr den ausgestreckten Arm entgegen, um ihr damit einen imaginären Muffin zu servieren, den sie nach stolzem Bekunden extra für die Mama gebacken hat.
    Die Mutter geht auf das Spiel ihrer Tochter ein, bückt sich zu ihr nach unten, bedankt sich für den schönen, leckeren Muffin und … beißt rein. Diese Handlung hat dramatische Auswirkungen: Claudia ist einem Schock nahe, denn der
Biss in den Muffin gehörte nicht zu ihrem Plan vom Ablauf des Spiels, sie hatte vielmehr ihrer Mutter das Gebäck geben wollen, damit diese es gemütlich daheim vertilgt. Die Reaktion des Kindes hat es in sich: Claudia beginnt nicht nur zu weinen, sie wirft sich gleichzeitig auf den Boden und ruft immer wieder laut, die Mutter habe doch den Muffin auf keinen Fall bereits jetzt anbeißen dürfen.
    Das Kind ist etwa 15 Minuten lang nicht ansprechbar, übertönt Beschwichtigungsversuche mit lautem Schluchzen und wehrt sich gegen körperliche Annäherung durch Strampeln und Schlagen. Dann hat die Mutter die rettende Idee: Sie kann Claudia glaubhaft machen, dass sie ja nur einmal in das Gebäckstück gebissen habe und folglich den Rest noch in Händen halte. Also könne man diesen ja mit nach Hause nehmen, und zu einem von Claudia festzulegenden Zeitpunkt werde der Muffin dann gegessen.
    Das Kind akzeptiert zwar diesen Vorschlag, nicht jedoch, ohne die Mutter darauf hinzuweisen, dass so etwas aber keinesfalls noch einmal vorkommen dürfe. Als Mutter und Tochter den Kindergarten schließlich verlassen, trägt die Mama sowohl den Rucksack als auch die Jacke ihrer Tochter. Und natürlich auch den imaginären Muffin!
    Der Fall zeigt, wie die Mutter sich

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