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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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einzuschlagen, musst du ihm eben ein Stück entgegenkommen. Wie dem auch sei, ich weiß, dass er dich liebt und tief in seinem Innern darauf brennt, mit dir zu reden.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Es ist Johns bestgehütetes Geheimnis«, sagte Tobin. »Aber er möchte, dass ich alles weiß.«

    *

    In dieser Nacht schlief Martin auf der Couch. Als er im Morgengrauen immer noch nicht ins Bett gekommen war, fühlte sich May innerlich hohl.
    Sie ging ihrem Tagwerk nach, versuchte sich auf die Arbeiten zu konzentrieren, die anstanden. Da Martin wieder spät aufgeblieben und vor dem Fernseher eingeschlafen war, wusste May, dass sie ein großes Problem hatten. Sie rief Genny an und fragte, ob Charlotte bereit sei, sich um Kylie zu kümmern, damit sie eine Zeit lang mit Martin allein sein könne.
    Als sie Kylie zu Genny gebracht hatte und heimkam, traf sie ihn im Garten hinter dem Haus an; die Hände um die Armlehnen des alten Birkenholzstuhls geklammert, starrte er auf den See hinaus. Er sah nicht auf, als sie näher trat, obwohl ihr Schatten über sein Gesicht fiel. May blickte ihn an, hatte Herzklopfen. Die Adern pulsierten an seinen Schläfen. Seine Miene war grimmig, und dabei hatte sie noch kein Wort gesagt.
    Er war offenbar wieder gelaufen, Shorts und T-Shirt waren nass geschwitzt. Seine Arme und Beine glänzten vom Schweiß, die Haare waren aus den Augen gestrichen. Seit dem Streit hatte er nichts anderes getan als laufen, rudern und den Sandsack zu bearbeiten, der in der Scheune hing. Sie hatte letzte Nacht gehört, wie er auf den Sack eindrosch, als wollte er ihn in der Luft zerfetzen. Das Geräusch hatte May Angst gemacht und sie hatte wachgelegen, bis es verstummte.
    »Du verlässt mich.« Es war keine Frage, und May erstarrte.
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Ich bin ein Scheusal, ich weiß.«
    »Dann muss ich es dir ja nicht sagen«, entgegnete sie.
    »Lass mich in Ruhe, ja?«
    Schweigend sah sie ihn an. Martin starrte über ihren Kopf hinweg, seine Kiefermuskeln und Augen waren in den vergangenen zwei Tagen hart geworden. Grillen zirpten in dem hohen Gras hinter der Scheune. Der Himmel über dem See war purpurfarben, mit einem blaugoldenen Schimmer über den Bergen. Schwalben tauchten in die Schatten ein, fingen Käfer, tauchten wieder auf. Fische sprangen an die Oberfläche des Sees, schnappten nach tief umherschwirrenden Fliegen.
    Mays Blick fiel auf Martins Hände. Sie hielten die Armlehnen des Sessels umklammert, jeder einzelne Finger war angespannt, grub sich in das Holz hinein. Die Adern an seinen Händen und Gelenken traten hervor, blau und von goldenem Flaum umgeben. Seine Knöchel waren wund von den Fausthieben, die er dem Sandsack verpasst hatte. Sie beugte sich vor und küsste den Knöchel des Zeigefingers seiner rechten Hand. Dann den Mittelfinger, und den Ringfinger.
    »May, hör auf!«, stöhnte er.
    Sie achtete nicht auf ihn. Sie küsste den Knöchel des kleinen Fingers und danach den rechten Daumen. Sie spürte, wie die Anspannung aus seinen Händen, aus seinen Armen wich.
    »Lass mich«, sagte er abermals.
    »Ich kann nicht.«
    May war inzwischen zum Ringfinger seiner linken Hand gelangt, an dem er den Ehering trug. Seinen Knöchel küssend, fuhr ihre Zunge über den goldenen Reif. Sie hörte ihn stöhnen, dann spürte sie seine rechte Hand auf ihrem Hinterkopf.
    »Was machst du da?«
    »Wir haben Gepäck. Das ist das ganze Problem.«
    »Gepäck?«
    »Magst du das Wort nicht? Das klingt nach Talkshows im Fernsehen. Wir haben zwei große Koffer, die mit den Altlasten gefüllt sind. Du hast einen, und ich habe einen.«
    »Ich würde meinen am liebsten von der nächsten Klippe werfen.« Er blickte auf den See hinaus.
    »Ich glaube, das funktioniert nicht. Die Vergangenheit würde dich wieder einholen. Man kann sie nicht ein für allemal begraben, nur weil man es gerne möchte.«
    »Was soll ich dann tun?«
    Purpurfarbene Schatten hatten sich bis zu den Bergen ausgebreitet, reichten bis zum Horizont. So weit im Norden blieb der Himmel im Sommer bis spät am Abend hell, klar und schimmernd, als wäre er mit Goldstaub gefüllt. Der Abendstern ging am Firmament auf, und auf dem See schrie ein Seetaucher.
    »Ich möchte dir helfen«, sagte May.
    »Wenn es darum geht, wenn es um sie geht, kann mir niemand helfen«, murmelte Martin an ihrem Nacken.
    »Du meinst Natalie«, sagte May, weil Martin ihren Namen nicht ausgesprochen hatte.
    May rückte leicht von ihm ab, nur um genug Raum zwischen

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