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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ist.«
    »Wer?«
    Er hatte sie in ihren Phantastereien unterbrochen, und jetzt stellte sie sich stur. »Warum du glaubst, daß er der falsche Mann ist, daß ich den Falschen verhaftet habe.«
    Sie hatte jetzt selber den Feldstecher genommen und versuchte, damit über den See zu schauen. Er wußte, sie würde sich weigern, mit ihm zu reden, wenn er nicht registrierte, was sie tat. Und einen Kommentar dazu abgab. Sam seufzte. »Tja, du verstößt gegen deine eigene Regel, nicht wahr? Hast du nicht gesagt, daß wir nicht durch das Fernglas gucken sollen?«
    »Tu ich ja nicht.«
    Wenn er Maud nicht so gut gekannt hätte, hätte er angenommen, sie habe sich um den Verstand getrunken. Aber sie war nicht betrunken, es fehlte ihr einfach an Verstand. Sam starrte in den schwarzen Himmel hinauf. Am liebsten hätte er nichts dazu gesagt, aber er mußte wohl. »Tust du nicht. Aber du guckst doch direkt durch dieses Fernglas!«
    »Ich halte die Augen geschlossen.«
    Du meine Güte, sie hielt die Augen geschlossen - Sam hielt es nicht mehr aus; er riß ihr das Fernglas aus der Hand. Genau das hatte sie natürlich gewollt: ihn aus der Fassung zu bringen. Sie glättete ihren Rock und summte: »Moonlight becomes You.«
    Als er den Riemen um das Fernglas wickelte und es aufs Dock legte, sagte er: »Ich würde mich freuen, wenn du mir erzählen würdest, warum du glaubst, daß Chalmers es nicht getan hat.«
    Es herrschte würdiges Schweigen.
    »Maud?«
    Sie drehte ihre Haare zu einer langen Wurstlocke und rollte sie langsam übers Ohr hoch. Sie wußte, daß es ihn nervte, deswegen tat sie es ja.
    »Ich würde wirklich gerne deine Meinung hören. Da wir ja anscheinend die einzigen mit dieser Meinung sind. Sims hält mich für bescheuert.«
    Offenbar hatte er genau den richtigen Bettler-an-der-Straßenecke-Ton getroffen. »Der ist doch der Bescheuerte. Ein bescheuerter alter Suffkopp, der nie Bürgermeister hätte werden dürfen.« Plötzlich hörte sie auf, mit der kleinen Perlenkordel die Lampe ein- und auszuschalten - ein und aus, als habe sie gerade die Wunder der Elektrizität entdeckt. »Er haßt dich, denn wenn du mal als Bürgermeister kandidieren würdest, würdest du gewinnen. Und dennoch, auch wenn ich’s nur ungern sage: Es wär einfach ein zu großer Zufall, daß genau an dem Tag, wo Boy aus dem Gefängnis flüchtet, wieder ein Mord passiert.« Sie sah Sam sorgenvoll an.
    Er öffnete knallend eine weitere Dose Coors. »Oh, ich sage ja nicht, daß es Zufall ist. Ich sag eher, daß der, der die Morde begangen hat, Boys Ausbruch ausgenutzt hat.«
    Maud runzelte die Stirn und begann wieder, an der Kordel zu ziehen. Der Dockrand, auf dem die schwarze Katze vor sich hindöste, wurde abwechselnd grell beleuchtet und versank dann wieder in der Dunkelheit. »Das ist sicher möglich. Weißt du, daß Chad das auch gesagt hat?« Als Sam sie mit hochgezogenen Augenbrauen ansah, nickte sie. »Hat er.«
    »Chad?«
    »Mmm-hmm. Er hat vor ein paar Wochen hier unten über ihn geredet. Er hat mir die Lampe aufgebaut mit den ganzen Verlängerungskabeln...« Sie sah über ihre Schulter nach hinten.
    Ungeduldig drängte Sam sie, weiterzusprechen. »Warum glaubt Chad nicht, daß es Boy war, wie alle anderen?«
    »Chad ist nicht wie alle anderen.« Sie seufzte und wühlte im Eis nach einer Silberzwiebel, die sie in ihr Glas schmiß, ehe sie sich einen frischen Martini einschenkte. »Er ist wohl wie wir.« Und sie seufzte wieder, als ob sie, Sam und Chad zu irgendeiner fremdartigen Menschenrasse gehörten, die wegen ihrer größeren Wahrnehmungsfähigkeit und Sensibilität außerhalb der gewöhnlichen Gesellschaft leben mußte. »Hast du gewußt, daß er Boy Chalmers mal getroffen hat?«
    »Mein Gott, nein, hab ich nicht gewußt. Du hast es mir ja nie erzählt.«
    »Weil ich’s bis zu diesem Wochenende selber nicht gewußt habe. Chad ist auf diesem uralten Fahrrad nach Hebrides gefahren - ach, vor gut einem Jahr, hat er, glaub ich, gesagt. Er hatte einen Platten, und Boy kam auf seinem Motorrad vorbei. Er hat angehalten und den Reifen geflickt. Und um das zu tun, mußte er zu seiner Fahrradwerkstatt zurückfahren und eine Pumpe und einen Flicken oder was auch immer holen, aber Chad hat gesagt, er sei wirklich hilfsbereit gewesen. Er hat sich viel Mühe gemacht.«
    »Warum hat er dir das bloß nicht erzählt, als man Boy wegen Loreen Butts verdächtigte?«
    Sie zerrte an der Metallkordel der Lampe. Aus. An. Aus. An. »Er behauptet, er hätte es

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