Was am See geschah
abgestumpftes Gewissen war oder ein Heftpflaster, das man über eine spritzende Arterie klatschen konnte.
Wie der mechanische Handschlag kam auch Chads erste Überlegung, daß er nun einen Teil seiner Schulden von fünfhundert Dollar los war, ganz automatisch. Das machte ihn noch wütender. Er faltete die Scheine zu einem kleinen Quadrat zusammen und stopfte sie in Maurice Bretts Westentasche.
»Sie brauchen sich mein Schweigen nicht zu erkaufen. Wem sollte ich es denn erzählen? Mr. Bond? Den Gästen? Ich kenne sie ja nicht mal.«
Maurice Brett rollte seine Zigarette ein wenig zwischen den Lippen hin und her. »Billy.«
»Zero?« Er wandte seinen Blick von ihm zu ihr. Eva Bond hatte wieder ihre frostige Pose eingenommen und zündete sich eine Zigarette an, ohne Chad auch nur eines Blickes zu würdigen. »Meine Güte, er ist mein bester Freund. Glauben Sie, ich würde meinen besten Freund niedermachen, indem ich verbreite, daß seine Mutter -«
Eva Bond schnitt Chad das Wort ab. »Ich glaube wirklich nicht, daß Sie sich darum Gedanken machen müssen.« Sie war so ruhig wie der See vor der Terrasse.
»Ich bin Gast in diesem Haus, und was Sie tun, geht mich nichts an. Aber Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie meinen, Zero würde das was ausmachen?«
Sie richtete ein Paar stahlharte Augen auf ihn.
Ich glaube wirklich nicht, daß Sie sich darum Gedanken machen müssen ... Das war fast noch schlimmer als die Schlafzimmerszene. »Sie brauchen sich keine Gedanken darum zu machen, daß ich’s ihm erzähle, Mrs. Bond.«
Er schob sich durch Champagnergläser, Kellnerinnen, schepperndes Gelächter, Abendkleider und Smokings. Eine Frau, deren Brüste aus dem Oberteil ihres cremefarbenen Satinabendkleids zu quellen schienen, packte ihn am Arm und wunderte sich laut, warum man sie einander nicht vorgestellt hatte. »Ich bin Brie Sardinia, und Sie sind Billys Freund«, stieß sie zwischen Champagnerschlucken hervor, wobei ihre Hand an seinem Arm entlangfuhr, bis sie schließlich seine Hand umklammerte. Der Name »Brie« war gut gewählt, denn sie sah tatsächlich aus wie ein weicher, reifer Käse. »Mein Mann verbringt die ganze Nacht da drinnen und spielt Poker« - sie blickte über die Schulter in Richtung Spielzimmer - »wie wär’s mit einem Tanz?« Sie wurden von anderen Roben und Smokings an die Wand gedrängt, und Chad benutzte das als Entschuldigung. Zu voll zum Tanzen... vielleicht später... nett, Sie kennengelernt zu haben...
»Aber wir könnten zum Pool rausgehen«, rief sie ihm hinterher.
Er tat, als höre er es nicht, und steuerte auf eine der Flügeltüren zu, um draußen frische Luft zu schnappen. Er kam am Billardzimmer vorbei, wo Mr. Bond und vier weitere Männer in ihr Pokerspiel vertieft waren. Er erkannte einen Arzt und einen Mann namens Brandon, den er schon einmal gesehen hatte, und nahm an, daß der große Finstere der Ehemann von Frau Sardinia sein mußte. Der fünfte wirkte zu verschlossen und schrill, um sich auf Brie einzulassen. Die Karten hielt er so nah vor der Brust, daß er sich den Hals hätte verrenken müssen, um einen Blick darauf zu werfen.
Chad ging die breite, laubbedeckte Treppe hinab, hin zu jener Rasenfläche, die so glatt war wie ein Golfplatz und in der der unregelmäßig gestaltete Pool im vom Haus herkommenden Licht wie ein Opal glänzte. Der Klang der raffinierten Bondschen Stereoanlage reichte bis hierher. Kleine Gruppen hatten sich zum Reden und Trinken zusammengefunden, und das Gras war so eben, daß man darauf tanzen konnte. Zero war besoffen und tanzte ganz alleine. Die Arme hielt er ausgestreckt; er schnalzte langsam mit den Fingern und wiegte sich im Takt einer alten Jazz-Interpretation von »After You’ve Gone«.
Und dann kam Casey und versuchte ihren Bruder zu imitieren, als ein Saxophon »Who’s Sorry Now?« schluchzte. Langsam, gelassen, hypnotisch. Casey war anscheinend das einzige Mitglied der Familie, mit dem Zero gerne zusammen war. Sie trug ein hautenges Kleid mit tiefem Dekolleté und Fledermausärmeln, für das sie viel zu jung war. Als Zero sie darin erblickte, sagte er: »Dracula wär begeistert von dir.«
»Mutter hat gesagt, ich könnt’s anziehen«, wimmerte sie. Sie spielte freiwillig die Rolle der kleinen Schwester, hatte Chad sich gedacht.
»Wann hat Mutter dir denn je verboten, irgendwas anzuziehen?« Zero markierte vor Casey den großen Bruder, aber er hatte recht: Chad fragte sich, ob Eva Bond ihrer Tochter je Schranken
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