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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Scheiß-Bethanne? Casey hat recht - sie ist eine Nymphomanin.«
    Seine Arme hatten das Strecken, seine Beine das Paddeln satt. »Könnten wir diese Unterhaltung vielleicht im Sitzen weiterführen?«
    Doch Zero schien sich außerordentlich wohl zu fühlen, während er herumschwamm und dahintrieb und das Ende seiner Zigarette beim Inhalieren wie ein Stern aufglühte und der Rauch beim Ausatmen das Wasser vernebelte. Er schien sich in der Tat genauso behaglich zu fühlen wie etwas früher am Tag, als er auf Chads Bett gelegen hatte. Casey oder Caseys Spur im Wasser hatte schon mehr als die Hälfte der Strecke zum Ufer zurückgelegt. Chad fürchtete eigentlich nicht um sein Leben, nicht in diesem treibenden Rettungsboot; aber er fragte sich, ob dieser Ausflug nicht der schiere Wahnsinn war.
    Vom Wasser getragen und zu den Sternen emporblickend, hätte er ihn fast genossen, nur, daß seine Gedanken immer zwischen jener Schlafzimmerszene und den untergegangenen Docksiders, die nun wie ein versunkenes Schatzschiff auf dem Seegrund liegen mußten, hin und her wanderten. Er spürte, wie Schamröte in ihm aufstieg und Hals und Gesicht heiß wurden. Er hatte ihr das Restgeld nie zurückgegeben, die Schuhe hatten im Ausverkauf nur die Hälfte gekostet.
    Das und irgendwelches »Kleingeld«, das sein Dad ihm geschickt hatte, waren für Gras und Bier draufgegangen. Und für ein bißchen Koks. Ein bißchen - Gott sei Dank war er nicht abhängig. Sam hätte ihn damals an jenem Abend im Red Barn einlochen können.
    »Aber ich werde dich nicht einlochen. Hör einfach auf damit, wenn du nur halb so gescheit bist, wie ich glaube.«
    »Ich nehm es fast nie. Ich meine, in der Schule hab ich ein paarmal - freizeitmäßig... Sie wissen schon.«
    »›Freizeitmäßig‹? Ach, hör auf. Du willst mich wohl verarschen.«
    »Ich bin nicht süchtig. Ich hab das unter Kontrolle.«
    Sam fluchte leise. »Was glaubst du eigentlich, wen du vor dir hast? Irgendeinen Halbstarken? Ich verbitte mir diese Beleidigung !«
    Sam hatte weitergeredet. Chad mochte Sam, aber er konnte es nicht ausstehen, wenn man ihm Vorträge hielt.
    »Woher hast du das Geld?«
    In einem tödlichen Ton.
    »Vielleicht mit Babysitten verdient?«
    Er hatte irgend etwas Rotziges antworten wollen, aber er war schließlich doch klug genug gewesen, sich nicht mit Sam anzulegen. Nicht, daß Chad Angst hatte, Sam würde es seiner Mutter erzählen. Das würde er nicht tun. Dazu hatte er sie zu gern.
    Chad erinnerte sich jetzt daran, daß sie - er und Sam - in diesem Streifenwagen gesessen und eine Zeitlang nichts gesagt hatten. Sie hatten dieses eher freundschaftliche Schweigen wohl trotz des Anlasses genossen.
    Er war zehn gewesen, als er Sam zum erstenmal sah. Es war in der Nähe des Gerichtshauses; Sam stand da und schaute auf einen Rolls, der neben einem Hydranten parkte. Er trug eine Pistole an der Hüfte und hatte eine dunkle Brille vor den Augen; eine Lederjacke, die kaum den Schultergurt verbarg. Er schaute auf diesen Wagen und schüttelte den Kopf. Dann erblickte er plötzlich Chad, der gerade aus der Nachmittagsvorstellung kam und noch ganz von Gary Cooper erfüllt war. Es war eine Wiederholung von »High Noon« gewesen. Er überlegte sich gerade, wie er seiner Mutter am besten beibringen könnte, daß er die zwei Dollar verloren hatte, damit er am nächsten Samstag wiederkommen und den Film noch einmal sehen könnte. An all das dachte er, und dann sah er Sam. Gerade aus dem Kino zu kommen, wo man einen Sheriff gesehen hat, und dazu noch Gary Cooper, und dann einen echten lebendigen Sheriff mit dunkler Brille und Pistolengurt vor sich stehen zu haben... tja, das machte einen schon nachdenklich.
    Sam wandte die dunklen Brillengläser in Chads Richtung und sagte: »Manche Leute...« Dann schüttelte er wieder den Kopf. »Manche Leute glauben offenbar, ein Rolls oder ein Jaguar muß sich nicht an die Gesetze halten, die für einen Ford Pickup gelten.«
    Das hatte Chad überrascht - daß der Sheriff einfach so mit ihm redete, als sei er, Chad, ein Bekannter, ein Erwachsener, mit dem er sich ab und zu austauschte und jetzt hier auf der Straße plauderte.
    Chad hatte sich mit einem Mal aufgerichtet, sich einen halben Zentimeter größer gemacht und dann seine Einschätzung der Lage abgegeben. »Wahrscheinlich jemand von diesen Leuten vom See.«
    »Da hast du wahrscheinlich recht. Tja...«
    Es war, als habe dieser Schwatz auf dem Bürgersteig oder ähnliche Unterhaltungen eine ganze

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