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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Toyota abgehauen war, derjenigen, die ihnen ihr letztes Auto verkauft hatte. Maud erinnerte sich, daß sie drapierte seidige Kleider von der Art, wie Velda sie bevorzugte, getragen hatte, mit breiten Gürteln und Schulterpolstern. Maud konnte sich nicht mehr entsinnen, ob sie Velda ähnlich gesehen hatte - wahrscheinlich nicht, denn Velda war Mannequin. Maud hatte nie erfahren, wo Ned Velda kennengelernt hatte oder was aus der Toyota-Verkäuferin geworden war.
    Maud fand die Kleider, die Dr. Hooper trug, viel schöner. Heute hatte sie ein blaues, äußerst schlichtes, diagonal geschnittenes Leinenkleid angehabt, das wahrscheinlich ein Vermögen gekostet hatte. Maud sah so etwas; sie hatte früher selber genäht. Maud fragte sich erneut, ob Dr. Hooper wohl in eines der Seerestaurants zum Abendessen gegangen war. Vielleicht ins Silver Pear.
    Im Silver Pear aß man nicht bloß, man hatte ein »kulinarisches Erlebnis«. Es war eines jener Restaurants, die große Versprechungen, aber nur kleine Portionen zu bieten hatten. Chad hatte noch einen zweiten Korb Brot bestellen müssen, um satt zu werden. Es befand sich in einem alten viktorianischen Haus etwa eine Meile seeaufwärts. Die Besitzer waren Gaby und Julian (Gastronomen hatten immer solche Namen, war Maud auf gefallen, sie hießen nie »Mary« oder »Bob«), und sie hatten die ursprüngliche Baustruktur sorgfältig erhalten und die Salons im Erdgeschoß in eigene kleine Speiseräume verwandelt. Zwischen Kaminen und Kerzen in Sturmlaternen bildeten die Räume ein einziges Durcheinander von flackernden Schatten, ein Effekt, den teure Restaurants häufig anstrebten. Abgesehen von der glasumschlossenen Kerze schien jeder Tisch mit dem Schrott verschandelt, der der Vorstellung irgendeines New Yorker Designers von rustikalem Prunk entsprach. Chad hatte sie vor zwei Jahren an ihrem Geburtstag dorthin eingeladen. Den ganzen Abend lang hatte sie Sachen herumgeschoben - Vase, Silberkörbchen mit Potpourri, die silbern bemalte Birne (auf jedem Tisch eine), um an die silbernen Salz- und Pfefferstreuer - ebenfalls in Birnenform - heranzukommen. Es war, als manövriere man sich durch einen winzigen versilberten Garten.
    In dem Streit war es um Chads Weihnachtsferien gegangen und darum, wo er sie verbringen sollte. Ned und Velda wollten, daß er zu ihnen nach Colorado kam. Obwohl Maud wußte, daß Chad es sich nicht bei ihnen gemütlich machen wollte, sondern am glühenden Kaminfeuer irgendeines todschicken Ferienhotels von Vail, wo sie sich weihnachtsmäßig amüsieren wollten (ein Ausdruck von Velda, die sich ungeheuer jugendlich vorkam und ständig Ausdrücke aus der Teenagersprache verwendete). Chad war noch nie in seinem Leben Ski gefahren, aber was hieß das schon, wenn da alle diese blonden Mädchen in Skistiefeln und dicken Norwegerpullovern apres-ski-mäßig mit ihren Drinks am Feuer saßen?
    Maud wußte, daß sie verlieren würde, wußte, daß sie zustimmen mußte; dennoch mußte es aber noch Spielraum für Verhandlungen geben. »Na ja, in Ordnung - aber nicht die zweite Ferienhälfte.«
    Oh, Gott, ist das nervig, hatte sein Seufzen ausgedrückt. »Mom, genau zu der Zeit sind sie aber dort.«
    »Und ich soll mich ohne dich weihnachtsmäßig amüsieren?« Sie schob den gedämpften Lachs auf dem Teller herum, ihr war der Appetit vergangen. Dann setzte sie der Silberbirne zu, schob sie hierhin und dorthin, stellte sich einen silbernen Obstgarten vor, versuchte sich an das Märchen zu erinnern, in dem silberne Birnbäume vorkamen...
    »Natürlich nicht am Weihnachtstag selber«, sagte Chad jetzt. »Am Weihnachtstag bin ich hier.« Er war ungeheuer vernünftig - sah sie das denn nicht?
    »Aber neujahrsmäßig bist du anderswo engagiert, das willst du doch damit sagen, oder?«
    »Na ja, schon... ›neujahrsmäßig engagiert‹? Was ist denn das für ein Ausdruck?«
    Maud fixierte ihn mit zusammengekniffenen Augen. Sie wurde immer mißtrauischer. »Wie lange willst du dich denn auf der Piste rumtreiben?«
    Sehr beiläufig sagte er: »Na ja, wir dachten, ich könnte einfach von Vail zur Schule zurückfliegen.«
    Die anderen Speisenden, Leute vom See, die alle Weiß zu tragen schienen, flogen wahrscheinlich auch von Vail zurück oder redeten zumindest dauernd davon. »Vail« ging Chad einfach ein bißchen zu flott über die Lippen, als sei er in Gedanken schon über all diese Hänge gerauscht und als wäre es kaum zu ertragen, daß er vielleicht nach La Porte zurückkehren mußte.

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