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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Brandfleck darauf machen würde.
    Schließlich hielt er es hoch. Glatter ging es gar nicht. Keine einzige Falte.
    Er holte Kissen von der Couch und aus einem der anderen Schlafzimmer und ging mit dem blauen Kleid in sein eigenes Schlafzimmer.
    Ganz vorsichtig stopfte er das Kleid aus. Die kleineren Kissen schob er in Richtung Hals, damit sie die Büste ausfüllten, die größeren zwängte er unter den Rock. Er wünschte sich, er hätte auch den BH und das Höschen mitgenommen, hatte er aber nicht, muß man sich eben mit dem begnügen, was man hat.
    Sobald das Kleid ausgestopft war, legte er es auf sein Bett. Dann zog er sich aus und legte sich selber in das Doppelbett. Er schlang die Arme um das blaue Kleid und begann zu weinen, hemmungslos Rotz und Wasser zu heulen.
    Sie würde es verstehen. Sie würde das Richtige sagen. Sie würde ihm erklären können, daß das Leben nicht verrückt war, auch wenn es so aussah, sie würde ihm sagen, daß Gott einen Plan hatte, der sich, so verrückt hier unten auch alles zu sein schien, eines Tages offenbaren würde. Er würde sich offenbaren, fast wie die Sünden in der Beichte. Wie sehr er sich wünschte, in sie hineinzukriechen. Er könnte ein Loch in das erste Kissen unter dem Rock schneiden; er könnte die Schere holen und ein Loch schneiden, er könnte...

3
    E inige Grüppchen verließen die Party, und Maud wurde unruhig. Es war erst zwei Uhr, und sie wußte, wie lange diese Partys dauern konnten; dennoch signalisierten die, die zum Dock hinuntergingen, daß irgendwann die Lichter ausgehen würden. Jetzt war Labor Day, dachte sie. Und der Labor Day bezeichnete das Ende von allem. Man würde das Haus da drüben winterfest machen; Raoul und Evita würden nach Manhattan zurückkehren; und Chad wäre wieder auf der Universität. Sein letztes Jahr. Sam durfte das nicht aussprechen, aber sie sagte es sich wohl ein dutzendmal am Tag vor.
    Sie spürte, wie die Angst in ihr hochstieg. ›Panik‹ war wohl ein besserer Ausdruck dafür. Sie wünschte wahrhaftig, Dr. Hooper wäre da. Ja, dies war eines von den Dingen, mit denen nur Dr. Hooper fertig werden konnte. Gewöhnlich ergriff die Panik sie entweder kurz vor dem Einschlafen oder direkt nach dem Aufwachen. Wahrscheinlich, weil dann ihre Abwehr geschwächt war. Sie spürte, wie es anfing, ein schwaches schwirrendes Geräusch und ein Brausen. Bald verschlang es sie dann vollständig; sie verlor das Gehör, ihr Blick trübte sich. Unfähig, sich zu bewegen, unfähig, sich an etwas festzuklammern, weder an der Sessellehne noch an der Lampe; es gab nichts, was sie auf dem Boden, auf dem Pier hielt. Maud konnte nichts hören außerhalb dieses außerirdischen Raumes, in dem das ferne Schwirren wuchs und wuchs, bis sie schließlich nur noch das Schlagen riesiger Flügel hörte.
    Es war fürchterlich. Es war entsetzlich. Es war, als befände man sich im Auge des Sturms - schlimmer wahrscheinlich, denn ein Tornado war wenigstens eine Naturkatastrophe.
    Der einzige Mensch, dem sie davon erzählt hatte, war Sam. Er hatte gesagt, er wolle eine Weile darüber nachdenken und daß es ihn an etwas erinnere, das er gelesen hatte. Ein paar Tage später war er ins Rainbow gekommen und hatte ihr ein Buch gegeben, das vom Leben nach dem Tod handelte.
    »Ich glaub nicht an das Leben nach dem Tod«, hatte sie in etwas boshaftem Ton gesagt. »Ich glaub nicht an den Tod.«
    »Interessant«, sagte Sam.
    »Wenigstens nicht für mich oder Chad.«
    »Wie erklärst du dir dann, daß Sonny Stuck mit dieser riesigen Leichenhalle so viel Geld verdient? Mit dem schönsten Gebäude von La Porte?«
    Sie wischte mit dem Scheuerlappen fest über die Theke und runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht. Das ist irgend so ein Trick. Aber darum geht’s ja wohl nicht. Was steht in dem Buch?«
    »Lies es«, hatte Sam gesagt und war dann gegangen.
    Es war erstaunlich. Es gab unzählige andere Menschen, die ein wie von Schwingen erzeugtes Windesbrausen gespürt hatten. Sie fühlte sich besser, weil sie nun wußte, daß sie nicht allein war. Sie fühlte sich schlechter, als sie las, daß dies einer - gewöhnlich der erste - von mehreren Schritten zu einer Art außerkörperlichen Erfahrung war. Maud fühlte manchmal, daß etwas sie vom Pier zerren wollte. So wie manche Leute während einer Operation über dem Tisch schwebten und den Ärzten und Krankenschwestern dabei zugucken konnten, wie sie auf ihre Überbleibsel loshackten. Nein, danke. Dann berichteten alle von einem

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