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Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Titel: Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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Stimme war schwach und die Roboter hörten ihn nicht. Sie gingen eine lange, ausgediente Betonrampe hinunter, die von einem uralten Ölfilm überzogen war, und sie mussten vorsichtig sein, wenn sie nicht stolpern und ihren kostbaren Herrn fallenlassen wollten.
    An einer tiefen, verborgenen Stelle gabelte sich die nach unten führende Rampe, mündete links in eine große Arena, auf deren Stufen Tausende von Zuschauern Platz gefunden hätten und Zeuge eines Ereignisses geworden wären, das nun nie kommen würde, und ging rechts in eine schmalere Rampe über, die aufwärts führte und dann samt ihren gelben Lampen hinter einer Biegung verschwand.
    »Halt!«, rief Sto Odin. »Seht ihr sie? Hört ihr es?«
    »Was sollen wir hören?«, fragte Flavius.
    »Das Pulsieren und die Kadenz des Congoheliums, die aus dem Gebiet emporsteigen. Das Sirren und Schwirren unglaublicher Musik, die durch die riesigen Massen dichten Gesteins zu uns durchdringt. Das Mädchen, das ich schon sehen kann und das vor einer Tür wartet, die nie hätte geöffnet werden dürfen. Der Klang der sterngeborenen Musik, die nicht für gewöhnliche menschliche Ohren geschaffen ist. Könnt ihr es denn nicht hören? Diese Kadenz. Das Congohelium, das sich so schrecklich tief und gesetzwidrig hier unter der Erde befindet? Dah, dah. Dah, dah. Dah. Musik, die bisher noch von niemandem erfasst wurde.«
    »Ich höre nichts«, erwiderte Flavius, »nur das Pulsieren der Luft in diesem Gang und Ihren eigenen Herzschlag, Mylord. Und noch etwas – es klingt ein wenig wie eine sehr weit entfernt arbeitende Maschine.«
    »Ja, das ist es!«, rief Sto Odin. »Das, was für dich ›ein wenig wie eine Maschine‹ klingt, kommt es als Takt von fünf einzelnen, einzigartigen Tönen?«
    »Nein. Nein, Sir. Es sind nicht fünf.«
    »Und du, Livius, warst du in deiner Zeit als Mensch telepathisch sehr begabt? Ist etwas von deiner Persönlichkeit in dir als Roboter erhalten geblieben?«
    »Nein, Mylord, nichts. Ich habe empfindsame Sinne, und ich bin auch an das unterirdische Funknetz der Instrumentalität angeschlossen. Mir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen.«
    »Kein Fünfertakt? Jede Note für sich, ein wenig lang gezogen, die von der schrecklichen Musik des Congoheliums Sinn und Form verliehen bekommen hat und mit uns in diesem massiven Felsgestein gefangen ist? Du hörst wirklich nichts?«
    Die beiden Roboter in der Gestalt römischer Legionäre schüttelten den Kopf.
    »Aber ich kann sie sehen, selbst durch das Gestein. Sie hat Brüste, die aussehen wie reife Birnen, und dunkelbraune Augen wie die Kerne frisch aufgeschnittener Pfirsiche. Und ich kann verstehen, was sie singen, die unheimlichen, albernen Worte eines Pentapauls, das durch die furchtbare Musik des Congoheliums etwas Majestätisches gewinnt. Lauscht den Worten! Wenn ich sie wiederhole, dann klingen sie nur närrisch, denn die traumgleiche Musik fehlt. Ihr Name lautet Santuna, und sie sieht ihn an. Kein Wunder, dass sie ihn anschaut. Er ist größer als die meisten anderen Männer, und er verwandelt dieses Narrenlied in etwas Furchteinflößendes und Fremdes.
    Sing. Jim.
Bring. Nimm.
Ring.
    Und sein Name ist Yebayee, aber nun ist er der Sohn der Sonne. Er hat das lange Gesicht und die dicken Lippen des ersten Menschen, der von dem einen und einzigen Gott sprach. Echnaton.«
    »Echnaton, der Pharao«, sagte Flavius. »Dieser Name war in meinem Amt bekannt, als ich noch ein Mensch war. Er war geheim. Einer der ersten und größten der mehr als alten Könige. Sie sehen ihn, Mylord?«
    »Durch diesen Fels sehe ich ihn. Durch diesen Fels höre ich das Delirium, das von dem Congohelium erzeugt wird. Ich werde zu ihm gehen.« Sto Odin verließ die Sänfte und klopfte leicht und leise an die solide Steinwand des Gangs. Die gelben Lampen glühten.
    Die Legionäre waren ratlos. Hier gab es etwas, das ihre scharfen Schwerter nicht durchdringen konnten. Ihre einst menschlichen Persönlichkeiten, die ihren mikro-miniaturisierten Gehirnen aufgeprägt waren, konnten keinen Sinn in der allzu menschlichen Situation eines alten, sehr alten Mannes erkennen, der wilde Träume in einem abgelegenen Tunnel träumte.
    Sto Odin lehnte sich an die Wand, schwer atmend, und sagte mit keuchender, kratziger Stimme: »Das ist kein Flüstern, das man überhören könnte. Vernehmt ihr denn nicht den Fünfertakt des Congoheliums, das wieder seine verrückte Musik erzeugt? Achtet auf die Worte dieses Verses. Es ist ein weiteres Pentapaul.

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