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Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Titel: Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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und dann legte die Hundefrau ihre linke Hand auf die Stirn des alten Pferdes.
    Sand spritzte unter ihren Hufen auf, als sie nach Kaheer galoppierten. Auf ihrem Rücken spürten sie den köstlichen Druck eines menschlichen Körpers. Der rote Himmel Mizzers glühte über ihnen. Ein Schrei ertönte: »Ich bin ein Pferd, ich bin ein Pferd, ich bin ein Pferd!«
    »Du kommst von Mizzer«, dachte Casher O’Neill. »Von Kaheer!«
    »Ich kenne keine Namen«, dachte das Pferd, »aber du bist aus meinem Land. Dem Land, dem guten Land.«
    »Was tust du hier?«
    »Sterben«, dachte das Pferd. »Hunderte und Tausende Sonnenuntergänge lang sterben. Der Alte kaufte mich. Kein Ritt, kein Wettrennen, keine Menschen. Nur der Alte und der kleine Platz. Ich sterbe, seit ich hier bin.«
    Casher erhielt ein kurzes Bild von Perinö, der dasaß und das Pferd beobachtete, ohne etwas von der Grausamkeit und Einsamkeit zu ahnen, die er seinem großen Haustier zugefügt hatte, indem er es unsterblich machte und ihm nichts zu tun gab.
    »Weißt du, was Sterben bedeutet?«
    »Sicher«, dachte das Pferd sofort. »Kein-Pferd.«
    »Weißt du, was Leben ist?«
    »Ja. Ein Pferd zu sein.«
    »Ich bin kein Pferd«, dachte Casher, »aber ich lebe.«
    »Mache die Dinge nicht noch komplizierter«, dachte das Pferd zurück – aber dann erkannte Casher, dass sein eigener Verstand und nicht der des Pferdes die Mahnung ausgesprochen hatte.
    »Möchtest du sterben?«
    »Kein-Pferd-sein? Ja, wenn dieser Raum, auf alle Zeiten, das Ende der Dinge ist.«
    »Was möchtest du lieber tun?«, dachte Geneviève, und ihre Gedanken waren wie Kaskaden frischgeprägter Silbermünzen, die in ihrer aller Bewusstsein stürzten: brillant, klar, glänzend, unschuldig.
    Die Antwort kam schnell: »Erde unter meinen Hufen und wieder feuchte Luft und einen Menschen auf meinem Rücken.«
    »Liebes Pferd«, unterbrach die Hundefrau, »kennst du mich?«
    »Du bist ein Hund«, dachte das Pferd. »Guuu-uu-uu-uuter Hund!«
    »Richtig. Und ich kann diesen Leuten sagen, wie sie dir helfen können. Schlaf jetzt, und wenn du erwachst, wirst du dich auf dem Weg zum Glück befinden.«
    Die Hundefrau hatte dem alten Pferd so heftig den Befehl Schlaf entgegengeschleudert, dass Casher O’Neill und Geneviève bewusstlos zu Boden geglitten und von den Angestellten des Krankenhauses aufgefangen werden mussten.
    Als sie wieder zu sich kamen, beendete die Hundefrau gerade ihre Anweisungen an den Arzt: »… und reichern Sie die Atmosphäre auf über vierzig Prozent Sauerstoff an. Es möchte, dass ein Wahrer Mensch auf ihm reitet – und einige von Ihren Wächtern in der Umlaufbahn wären doch gewiss dazu bereit, statt sich zu langweilen. Sie können das Herz nicht erneuern. Versuchen Sie es nicht. Hypnose wird für den Wüstensand von Mizzer sorgen. Beschicken Sie nur sein Bewusstsein mit einem oder zwei dieser Drama-Würfel voller Wüstenabenteuer. Nun, machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken. Ich werde Ihnen nicht irgendwelche Vorschriften machen, Sie Menschenmann.« Sie lachte. »Sie können uns Hunden alles vergeben, nur nicht, Recht zu haben. Es erzeugt in Ihnen immerhin für kurze Zeit ein Gefühl der Minderwertigkeit. Denken Sie nicht mehr daran. Ich werde die Treppe hinunter zu meinem Geschirr gehen. Ich liebe es, ich liebe es so sehr. Auf Wiedersehen, Sie hübsches Ding«, sagte sie zu Geneviève. »Und leben Sie wohl, Wanderer. Viel Glück«, rief sie Casher zu. »Sie werden sich unglücklich fühlen, solange Sie die Gerechtigkeit suchen, aber wenn Sie es aufgeben, wird die Gerechtigkeit zu Ihnen kommen, und Sie werden glücklich sein. Machen Sie sich keine Sorgen. Sie sind jung, und es wird Ihnen nicht schaden, noch ein paar Jahre zu leiden. Jugend ist eine leicht kurierbare Krankheit, nicht wahr?« Sie machte einen Knicks, wie eine Lady der Instrumentalität, die einer anderen Lebewohl wünschte. Ihr faltiges altes Gesicht wurde von einem Lächeln erhellt, in dem Glück mit einem winzigen Hauch leichten Spotts gepaart war. »Sie gestatten, Chef«, sagte sie zu dem Arzt. »Geschirr – da bin ich!« Sie huschte aus dem Zimmer.
    »Sehen Sie, was ich meine?«, fragte der Arzt. »Sie ist so schrecklich glücklich ! Wie kann jemand ein Krankenhaus führen, in dem sich eine Geschirrspülerin herumtreibt, die alle Menschen glücklich machen will? Wir würden unsere Arbeit verlieren. Trotzdem waren ihre Vorschläge vernünftig.«
    Sie waren es. Und sie wirkten.
     
    Eine Ratsdebatte

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