Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
sich die für diese Zeitepoche selbstverständliche Freiheit und fragte ihn, ob er sie heiraten wollte. Sie waren zu ihrem Privatstrand zurückgekehrt, an dem durch die Wunder ultrafeiner mikrometeorologischer Justierungen das raue Klima der Hochebene von Zentralspanien einem polynesischen Nachmittag gewichen war.
Sie fragte ihn, ja sie , ob er sie heiraten wollte, und er wies sie ab, so zärtlich und freundlich wie ein Mann von fünfundsechzig Jahren ein achtzehnjähriges Mädchen nur abweisen konnte. Sie drängte ihn nicht; sie setzten ihre bittersüße Romanze fort.
Sie saßen auf dem künstlichen Sand des künstlichen Strandes und tauchten ihre Zehen in das künstlich erwärmte Wasser des Ozeans. Dann lehnten sie sich an eine künstliche Sanddüne, die die Sicht auf Neu-Madrid versperrte.
»Darf ich«, begann Helen, »darf ich dich noch einmal fragen, warum du ein Segler geworden bist?«
»Das ist nicht so leicht zu beantworten«, erwiderte er. »Vielleicht aus Abenteuerlust. Das war zumindest ein Grund. Und ich wollte die Erde sehen. Ich konnte es mir nicht leisten, in einer Kapsel zu reisen. Nun, ich besitze jetzt genug Geld, um für den Rest meines Lebens auszukommen. Ich könnte zur Neuen Erde zurückkehren – in einem Monat statt in vierzig Jahren –, könnte mich binnen eines Augenblicks einfrieren lassen, würde in eine adiabatische Kapsel gelegt, an das nächste Segelschiff angekoppelt und erwachte wieder zu Haus, während das Schiff von irgendeinem anderen gesegelt würde.«
Helen nickte. Sie machte sich nicht die Mühe, ihm zu sagen, dass sie all dies bereits wusste. Sie hatte sich über Segelschiffe informiert, bevor sie den Segler getroffen hatte.
»Als du draußen zwischen den Sternen gewesen bist«, sagte sie, »kannst du mir beschreiben – kannst du mir beschreiben, wie es dort draußen ist?«
Sein Gesicht sah nach innen, in seine Seele, und schließlich klang seine Stimme so, als käme sie aus ungeheurer Entfernung.
»Es gibt dort Augenblicke – oder vielleicht Wochen, in einem Segelschiff ist das nicht genau zu bestimmen –, in denen es scheint, dass es sich lohnt. Man fühlt … deine Nervenenden greifen hinaus, bis sie die Sterne berühren. Irgendwie fühlt man sich ungeheuer groß.« Allmählich kehrte er zu ihr zurück. »Natürlich hört es sich abgedroschen an, aber hinterher ist man niemals mehr derselbe. Ich spreche nicht nur von den offensichtlichen physischen Dingen, sondern … man findet zu sich selbst … oder vielleicht verliert man sich auch. Deshalb …« Er deutete in Richtung Neu-Madrid, das außer Sichtweite hinter der Düne lag. »… kann ich das dort nicht ertragen. Die Neue Erde, nun, sie ist, wie die Erde in den alten Zeiten gewesen sein muss, glaube ich. Dort ist alles irgendwie unverbraucht. Hier aber …«
»Ich weiß«, sagte Helen Amerika, und sie wusste es wirklich. Die leicht dekadente, leicht korrupte, allzu komfortable Atomsphäre der Erde musste auf den Mann von den Sternen erstickend wirken.
»Dort«, sagte er, »und du wirst es nicht für möglich halten, aber dort sind die Meere manchmal zu kalt, um in ihnen zu schwimmen. Wir haben Musik, die nicht aus Maschinen dringt, und Freuden, die aus unseren eigenen Körpern kommen, ohne dass man zuvor etwas in sie hineingetan hat. Ich werde zur neuen Erde zurückkehren.«
Für eine Weile schwieg Helen und konzentrierte sich darauf, den Schmerz in ihrem Herzen zu ersticken. »Ich … ich …«, begann sie dann.
»Ich weiß«, sagte er grimmig und wandte sich ihr fast wütend zu. »Aber ich kann dich nicht mitnehmen. Ich kann es nicht! Du bist zu jung, du hast noch dein ganzes Leben vor dir, und ich habe ein Viertel von meinem fortgeworfen. Nein, das ist nicht richtig – ich habe es nicht fortgeworfen. Ich würde es nicht zurückhaben wollen, denn es hat mir in meinem Innern etwas gebracht, das ich zuvor nicht besessen habe. Und es hat mir dich gegeben.«
»Aber wenn …«
»Nein. Verdirb es nicht. Ich werde mich nächste Woche in einer Kapsel einfrieren lassen und auf das nächste Segelschiff warten. Ich kann nicht mehr viel hiervon ertragen, und ich könnte schwach werden. Das wäre ein schrecklicher Fehler. Aber wir haben jetzt die Zeit, die wir zusammen verbringen können, und jeder von uns hat sein zukünftiges Leben, um sich daran zu erinnern. Denken wir nicht an andere Dinge. Es gibt nichts, nichts, das wir sonst tun könnten.«
Helen sagte ihm kein Wort – weder jetzt noch
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