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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loel Zwecker
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Frage« auf dem Gebiet »der politischen Ökonomie«. 1846 wird England mit der Abschaffung von Importbeschränkungen ein Vorreiter beim sogenannten Freihandel. Was die moderne Verbindung von Politik und Ökonomie betrifft, ist schon bezeichnend, dass Montesquieu den Handel als doux commerce bezeichnet (»süßer, sanfter Handel«). Er meint, der Handel vernetze die Menschen und wirke so gegen Kriege.

     
    Bild 17
    Kinderarbeit in einer Fabrik in North Carolina, USA, 1908
    Doch es gibt auch Gegenstimmen, etwa die von Karl Marx. An Hegel erinnert sein Hauptwerk Das Kapital (1867) in der Mischung aus Analyse (»Fetischcharakter der Ware«) und Poesie (»Wertseele«). Doch verfasst Marx zusammen mit Friedrich Engels auch das allgemeinverständliche Manifest der Kommunistischen Partei (1848). Es beginnt mit dem Satz »Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus«. Das Manifest endet mit dem Aufruf »Proletarier aller Länder vereinigt euch!« Dazwischen geht es, aus heutiger Sicht erstaunlich aktuell, darum, wie die Bourgeoisie auf der Suche nach neuen Märkten »über die ganze Erdkugel« jagt und in fernen Ländern Arbeitslosigkeit verursacht. Das Gegenprogramm umfasst die gewaltsame Aufhebung des Privateigentums und die Etablierung des Proletariats als herrschender Klasse auf dem Weg zur klassenlosen Gesellschaft.
    Enteignung und Umverteilung sind auch Themen bei früheren Sozialisten wie Charles Fourier, François Noël Babeuf, Pierre-Joseph Proudhon (»Eigentum ist Diebstahl«) und Claude Henri de Saint-Simon, dessen Privatsekretär Auguste Comte den Positivismus begründet und den Begriff »Soziologie« prägt. Das Neue bei Engels und Marx sind: der Aspekt der Globalisierung, die Ablehnung reformerischer Ansätze und die Behauptung, der Kommunismus werde sich gemäß dem Konzept des »historischen Materialismus«, einem Naturgesetz vergleichbar, durchsetzen. Passend dazu etabliert sich damals der Begriff der Ideologie.
    Bei Erscheinen verpufft die Wirkung des Kommunistischen Manifestes allerdings; die Sache wird erst ein Jahrhundert später in der Russischen Revolution von 1917 so richtig zünden. Zunächst gibt es im März 1848 in Italien, Frankreich und Deutschland zwar Revolutionen, Demonstrationen und Straßenkämpfe; in Österreich dankt Metternich ab, in Bayern sogar König Ludwig I. (allerdings auch wegen seines Verhältnisses mit der Tänzerin Lola Montez). Doch verliert sich das in der Frankfurter Paulskirche einberufene Parlament 1848 in Diskussionen darüber, ob eine deutsche Einigung in großdeutscher Lösung anzustreben sei, also mit Österreich, oder in kleindeutscher Lösung, ohne Österreich, was man letztlich beschließt. Nachdem der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. die Krone, die ihm das Frankfurter Parlament für eine konstitutionelle Monarchie anbietet, als »Schweinekrone« ablehnt, verlagert sich die Macht des Parlaments auf das ständisch-adelige Abgeordnetenhaus in Preußen.
    Dennoch wächst das politische Mitspracherecht der Bevölkerung in Preußen, Frankreich und England im Lauf des Jahrhunderts schrittweise – und einkommensabhängig. So wird in Großbritannien 1832 mit der ersten Reform Act unter dem liberalen Premier Charles Earl of Grey die Zahl der Wahlberechtigten von rund 500 000 in den oberen Mittelstand hinein fast verdoppelt. Zwar werden die Chartisten, die 1838 als Vorläufer der Gewerkschaften in der People’s Charter von William Lovett das allgemeine Wahlrecht fordern, nicht erhört. Doch lässt Tory-Premier Benjamin Disraeli in der zweiten Reform Act 1867 Industriearbeiter mit eigener Wohnung zur Wahl zu. Erst die vierte Reform Act bringt 1918 das Stimmrecht für über 30-jährige Männer, und auch für vermögende Frauen; das allgemeine Wahlrecht erhalten sie erst 1928.
    Wie schon im 18. Jahrhundert gibt es in Frankreich mehr Revolutionslärm als in England – und größere Rückschläge. Der nach der 1848er-Revolution zum Präsidenten gewählte Charles Louis Napoleon, Neffe von Bonaparte, gründet nach seinem Staatsstreich von 1851 als Napoleon III. das Zweite Kaiserreich. Interessenpolitisch bleibt allerdings das Großbürgertum an der Macht; es hatte seinen Einfluss 1830 nach dem Sturz von Karl X. durch einen Volksaufstand in der Julirevolution mit dem »Bürgerkönig« (»roi citoyen«) Louis Philippe gefestigt. Insgesamt tanzt Frankreich im 19. Jahrhundert einen verrückten Reigen der Regierungsformen: Napoleons Erstes Kaiserreich (1804),

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