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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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nachgefragt: Kann dieser unendliche Gott noch Person genannt werden?
    Ist Gott Person?
    Dies ist eine Frage, die sich nicht in einem Satz beantworten läßt. Ich beantworte sie in drei Schritten:
    Erstens: Gott ist mehr als Person . Die Einwände Albert Einsteins gegen ein personales Gottesverständnis sind ernstzunehmen. Wenn er von kosmischer Vernunft oder wenn östliche Denker von dem »Einen« ( tad ekam ), von »Nirwana«, »Leere« ( shunyata ), »Absolutem Nichts«, »Leuchtender Finsternis« sprechen, dann wird man dies verstehen müssen als oft paradoxer Ausdruck der Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Absoluten, das sich weder in Begriffen noch in Vorstellungen einfangen läßt – dies gegenüber allzu menschlichen »theistischen« Vorstellungen von Gott, weswegen denn auch der Name »Gott« von Buddhisten abgelehnt wird.
    Es ist wahr: Gott ist gewiß nicht Person, wie der Mensch Person ist: Der Allesumfassende und Allesdurchdringende ist nie ein Objekt, von dem sich der Mensch distanzieren kann, um über ihn auszusagen. Der Urgrund, Urhalt und das Urziel aller Wirklichkeit, das für den Glaubenden jede einzelne Existenz bestimmt, der mir näher ist als meine Halsschlagader, wie der Koran (Sure 50,16) bildhaft sagt, ist nicht eine begrenzte Einzelperson unter anderen Personen. Gott ist kein Über-Mensch und Über-Ich. Auch der Personbegriff ist also nur eine Chiffre für Gott: Gott ist nicht die höchste Person unter anderen Personen. Gott sprengt den Personbegriff: Gott ist mehr als Person!
    Aber wahr ist auch ein Zweites: Gott ist nicht weniger als Person . Gerade weil Gott keine »Sache« ist, gerade weil er, wie in östlicher Weisheit betont, nicht begreifbar, durchschaubar, verfügbar, manipulierbar ist, ist er auch nicht unpersönlich, nicht unterpersonal. Gott, der das Werden von Personhaftem ermöglicht, sprengt auch den Begriff des Unpersönlichen: Gott ist auch nicht weniger als Person!
    Spinozas Identifikation Gottes mit der Natur und den Naturgesetzen löst keine Probleme. Vielmehr wird der Glaube an die Notwendigkeit aller Naturvorgänge Einstein dazu verführen, die Unbestimmtheitsrelation der Quantenphysik von vornherein dogmatisch abzulehnen. Doch eine gefühllose Geometrie oder Harmonie des Universums in naturgesetzlicher Notwendigkeit, wie sie der Physiker aufgrund seiner bestimmten und beschränkten Methode anzunehmen versucht ist, kann das Ganze der Wirklichkeit nicht erklären. Gott, der Eine, hat nach muslimischer Tradition »hundert schöne Namen«, von denen aber der letzte ihm allein bekannt ist.
    Dies ist nicht nur Auffassung von Bibel und Koran: Eine Höchste-Letzte Wirklichkeit , eine »Ultimate Reality«, akzeptieren auch die meisten Buddhisten. Und diese ist mehr als der Kosmos : mehr als eine universale Vernunft oder ein großes anonymes Bewußtsein. Mehr als nur die höchste Idee (Platon) oder ein auf sich selbst bezogenes, sich selbst denkendes Denken (Aristoteles). Mehr als nur die pure Schönheit des Kosmos oder auch die blinde Gerechtigkeit der Geschichte. Die Höchste-Letzte Wirklichkeit ist etwas, das sich zu uns nicht gleichgültig verhält und uns nicht gleichgültig läßt, sondern uns in befreiender und beanspruchender Weise » unbedingt angeht « (Paul Tillich): uns allgegenwärtig und zugleich entzogen. In der Hebräischen Bibel erscheint Gott als der verborgene Gott, der aber dennoch dem Volk so nahe ist, daß er einen Bund mit ihm eingeht, sich auf den einzelnen Menschen einläßt.
    Doch wie soll das Personale und Apersonale kohärent verbunden werden können? Gewiß indem man beide Begriffe übersteigt, transzendiert. Doch kann nun am Ende vielleicht der Theologe leisten, was der Physiker offenkundig nicht vermochte: »den Geist Gottes erkennen?« Zwar nicht die »Weltformel« finden, dafür aber eine »Gottesformel«, die das Geheimnis Gottes und der Welt auflöst?
    Doch Vorsicht, ein Drittes: Gewiß kann der Theologe ein Wort finden, welches die Begriffe personal – apersonal übersteigt, und er wird dann von » transpersonal, überpersönlich « reden. Aber sollte er mit solcher Formel Gottes Geist erfaßt, mit diesem Begriff Gott begriffen, mit dieser Definition Gott definiert haben? Nein, denn hätte er ihn begriffen, hätte er ihn definiert, so wäre es nicht Gott, der nun einmal der Unsichtbare, Unbegreifliche, Undefinierbare ist und bleibt: » Coincidentia oppositorum« – das Ineinanderfallen der Gegensätze. So hat schon der Renaissance- Denker

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