Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
Vom Netzwerk:
gehalten, hat das Axiom »Außerhalb kein Heil« als ein wörtlich zu verstehendes Glaubensgesetz aufgefaßt und hat deswegen ehrlich und konsequent und nicht ohne verständliche Berufung auf die Enzyklika »Mystici corporis« Pius’ XII. alle, die nicht zur organisierten katholischen Kirche gehören, vom Heil ausgeschlossen. Man hat ihn exkommuniziert, als er nicht widerrufen wollte [1953; Exkommuniation 1972 aufgehoben]. Aber hatte er nicht recht? War er nicht konsequent innerhalb einer Theologie, die allerdings nicht mehr konsequent zu sein wagte, weil dies dann doch in der heutigen modernen Zeit zu weit gegangen wäre? Bot ihm aber diese nicht mehr ganz konsequente Theologie nicht einige bequeme Distinktionen an, mit deren Hilfe er traditionell und modern, konservativ und progressiv in einem sein konnte, die es ihm erlaubten, beides zugleich zu behaupten: »Außerhalb kein Heil« und »Außerhalb Heil«? Wie kann man eine solche bequeme Lösung nicht ergreifen wollen, fragten sich viele Theologen. Und in der Tat, jede auch nur einigermaßen mit den Schwierigkeiten der neuen Zeit sich auseinandersetzende Schultheologie tendiert darauf hin, den Schwierigkeiten einer rein positivistischen Interpretation durch eine »spekulative« – man kann es vielleicht so ausdrücken, ohne damit irgendeine bestimmte Schulrichtung zu meinen – Interpretation aus dem Wege zu gehen. Aber:
    2. Mit der theologischen Wahrhaftigkeit kollidiert auch leicht eine in irgendwelcher Form spekulative Interpretation der Bekenntnisäußerungen. Das Axiom »Außerhalb der Kirche kein Heil« – nur ein Paradigma für viele – wird dann zwar aus Gründen einer formalen Orthodoxie wörtlich und buchstäblich beibehalten, aber der ganze Wortlaut wird uminterpretiert. Dabei verdient die hohe Dialektik, bei einigen mehr an Aristoteles und Thomas von Aquin, bei anderen mehr an der modernen Philosophie geschult, ebenso aufrichtige Bewunderung, wie die bei dieser Interpretation kirchlicher Konfessionen und Definitionen vielfältig zum Ausdruck kommende Sorge um die Einheit und Kontinuität der Kirche im Glauben Bejahung verdient. Es gelingt denn auch oft glänzend, eine Formel dialektisch so zu interpretieren, daß sie »Orthodoxen« wie »Unorthodoxen« akzeptabel ist. Die Formel bleibt (und das ist für die »Orthodoxen« die Hauptsache), aber der Inhalt wird umgegossen (woran die »Unorthodoxen« interessiert sind). Doch was bedeutet dies? Wir kommen doch um die Feststellung nicht herum, daß in manchen Fällen der Text vergewaltigt wird! Die formale Begriffsdialektik braucht dabei keineswegs unlogisch zu sein und ist es auch meist nicht. Es genügt, daß die Termini der Formel nicht mehr im gleichen alten Sinn genommen werden, um die alte Formel sogar in ihr Gegenteil hinein interpretieren zu können. Was dann allerdings für manchen unvoreingenommenen Beobachter, der das nicht immer leicht Durchschaubare durchschaut, gegen die historische Wahrheit und die wissenschaftliche Wahrhaftigkeit zu sprechen scheint.
    Im Grunde wird also – um auf das eben genannte Beispiel zurückzukommen – einem Theologen wie Feenay und anderen positivistischen Interpreten nur geraten (zugemutet, würde er sagen), nicht starr zu sein: das Axiom »Extra Ecclesiam nulla salus« darf nicht primitiv, wörtlich, buchstäblich, es muß vielmehr verständig, pneumatisch, spekulativ, dialektisch verstanden werden. Und dann besagt es »eigentlich« auch : extra Ecclesiam salus! Es besagt also »eigentlich« auch sein Gegenteil. Bei dieser dialektischen Operation ist es im Grunde gar nicht so wichtig, welches Wort des Axioms distinguiert, »differenziert« wird. Das Resultat ist entscheidend. Um einmal absichtlich in scharfer Karikatur ganz deutlich zu machen, was manchmal in Wirklichkeit mit sehr viel subtilem Geschick und intellektuellem Aufwand geschieht: Man kann zum Beispiel »extra« dialektisch distinguieren: »extra« meint dann eigentlich nicht außerhalb, sondern (auch) innerhalb (alle diejenigen, die für die alte Kirche, welche das Axiom geprägt hat, außerhalb waren, sind nun innerhalb der Kirche). Oder – und dies ist der häufigste Ansatzpunkt der Dialektik – »Ecclesia«: »Ecclesia« meint dann eigentlich nicht nur Kirche, sondern (auch) die ganze (gut meinende) Menschheit (die Kirche ist nicht wie für Origenes und Cyprian, die das Axiom in seiner negativen Form zuerst gebrauchten, die organisierte Kirche, sondern alle Menschen, die nach ihrem Gewissen

Weitere Kostenlose Bücher