Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
nicht Sache des Bewußtseins, sondern – Prädikat der Gottheit war! …
Aufhebung der Aporie
1. Eine Überwindung des Dilemmas ist nicht möglich durch einen – sei es ungläubigen oder abergläubischen – Entscheid für die eine oder andere Seite der Alternative:
Entweder: Die Verheißung ist dahin! Das ist der Standpunkt einer ungläubigen Welt, den sich der Glaubende nicht zu eigen machen kann. Oder: Mindestens bestimmte Irrtümer dürfen nicht zugegeben werden! Das ist der Standpunkt einer triumphalistischen Kirche, den sich der Glaubende ebenfalls nicht zu eigen machen kann.
2. Eine Überwindung des Dilemmas ist auch nicht möglich durch eine verharmlosende Harmonisierung der einen Alternative auf Kosten der anderen:
Früher vertrat man praktisch weithin eine grundsätzliche Infallibilität des Lehramtes; Irrtümer galten als Ausnahme. Diese These ließ sich nicht durchhalten und fand trotz aller Bemühungen der extremistischen Ultramontanen ihr Ende mit dem Vatikanum II. Später vertrat man die grundsätzliche Fallibilität des Lehramtes außer bei bestimmten infalliblen Sätzen. Auch diese schon längst vor dem Vatikanum I vertretene These ließ sich, so zeigte sich, nicht durchhalten.
3. Eine Überwindung des Dilemmas ist nur möglich durch die Aufhebung Alternativen auf einer höheren Ebene: Die Kirche wird in der Wahrheit alten, trotz aller immer möglichen Irrtümer!
»Unfehlbar? Eine Anfrage« (1970), S. 128 – 145.
Blaise Pascal – Die Gründe des Herzens
Pascal, der »die Gründe des Herzens« gegen die »Gründe der Vernunft« gestellt hat, gilt als einer der interessantesten Denker im Übergang zur Moderne. Wiederholt hat sich Küng mit ihm beschäftigt und – wer weiß – sich dabei indirekt mit sich selbst auseinandergesetzt, jedenfalls Klarheit über Grundmotive seines eigenen Denkens gewonnen.
Ob es der durch Wissenschaft, Technologie und Industrie beschleunigt rationalisierten Moderne nicht vor allem an dem gefehlt hat, was Pascal umfassend »le cœur«, »das Herz«, nennt? »Wir erkennen die Wahrheit nicht mit der Vernunft allein, sondern auch mit dem Herzen« (Fr 282). Sentimentalität, Rührseligkeit, Gefühlsduselei? Nein, Herz bezeichnet nicht das Irrational-Emotionale im Gegensatz zum Rational-Logischen, sondern jene geistige Personmitte des Menschen, für die das körperliche Organ nur Symbol ist: sein innerstes Wirkzentrum, der Ausgangspunkt seiner dynamisch-personalen Beziehung zum anderen, das exakte Organ menschlicher Ganzheitserfassung. Herz meint zwar den menschlichen Geist, aber nicht insofern dieser rein theoretisch denkt und schlußfolgert, sondern insofern er spontan präsent ist, intuitiv erspürt, existentiell erkennt und ganzhaft wertet, ja, insofern er im weitesten Sinn liebender (oder aber hassender) Geist ist. Wer versteht von daher nicht Pascals berühmtestes, aber kaum gut zu übersetzendes Wortspiel; »Le cœur a ses raisons, que la raison ne connaît point: on le sait en mille choses« – »Das Herz hat seine (Vernunft-)Gründe, die die Vernunft nicht kennt; man erfährt das in tausend Dingen« (Fr 277). Ja, es gibt eine Logik des Herzens, und das Herz hat seine eigene Vernunft!
Heute, im Übergang zur Postmoderne, liest man – von zahlreichen Alternativbewegungen her – mit neu geschärftem Problembewußtsein die Ausführungen Pascals über den »esprit de finesse«,das »Feingefühl« (Fingerspitzengefühl, Takt, Empfindsamkeit, Witterung, Spürsinn), der den »esprit de géométrie«, den »Geist der Mathematik«, ergänzen muß; wir erkennen betroffen, wieviel wir verdrängt, ignoriert und auseinandergerissen haben. …
Nun kann als unbestritten gelten, daß die großen Innovatoren des modernen Denkens keine Krypto-Freidenker oder Skeptiker waren. Aber unter diesen »erstrangigen Innovatoren« des modernen Paradigma ist Pascal ohne alle Zweifel derjenige, der die schwerwiegenden Konsequenzen für den Menschen am scharfsinnigsten sichtet und den Menschenhellsichtig wie kaum einer in seiner Grundambivalenz analysiert. Er beschreibt die Zwiespältigkeit der menschlichen Natur – psychologischer Entlarver längst vor Kierkegaard, Dostojewski, Nietzsche, Freud und Kafka – unbarmherzig bohrend in allen möglichen Situationen, Gewohnheiten, Zufälligkeiten. Ein Denker in »vérités opposées«, ein Dialektiker also par excellence.
Zwischen Unendlichkeit und Nichts
Vor allem spürt Pascal, was die kosmologischenEntdeckungen eines
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