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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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auch im Westen herrschende) Gottesgnadentum der Fürsten auf natürliche Gegebenheiten (kündbarer Staatsvertrag) zurückgeführt worden war, schlug auch die Stunde des Absolutismus: Der König wurde guillotiniert, der Adel dezimiert, viele Kleriker gehenkt, vertrieben oder in Disziplin genommen und der christliche Gott durch die atheistische Göttin »Vernunft« ersetzt.
    Die Moderne hatte ihre Klimax erreicht und machte sich daran, das 19.   Jahrhundert zu erobern; die philosophisch-wissenschaftliche Revolution hatte in der politischen Revolution ihr Pendant gefunden und konnte schließlich in der industriellen Revolution ihre ganze gigantische Macht zeigen. Die christliche Religion, die seit Konstantin Europa dominiert hatte, wurde zum ersten Mal in der europäischen Geschichte gewaltsam exekutiert und, wo sie überlebte, von den Aufgeklärten bestenfalls toleriert, mehr und mehr aber ignoriert, verdrängt und oft auch unterdrückt.
    Blaise Pascal, der Homo mathematicus, der Homo faber, der Physiker, Konstrukteur und Organisator, war ein durch und durch moderner Wegweiser für Naturwissenschaft, Technologie und selbst – in Anfängen – für die Industrie. Aber Pascal, der Homo religiosus, der Homo christianus, konnte dieser Wegweiser in die Moderne kaum in gleicher Weise sein. Bei allen genialen Einsichten in das widersprüchliche Wesen des Menschen schaut er, der Christ, der sich nicht Jansenist nennen will, in Sachen des Glaubens zurück zu dem immer von neuem gepriesenen und zitierten Augustin, der das mittelalterliche Paradigma von Theologie und Frömmigkeit grundgelegt hat. Mitten im Übergang vom mittelalterlich-gegenreformatorischen zum modernen Paradigma bleibt Pascals Position für uns zwiespältig. Modern und mittelalterlich zugleich: fortschrittlich-dynamisch-prospektiv im wissenschaftlich-technologischen Bereich, aber statisch-konservativ-ungeschichtlich in Kirchenlehre, Kirchenmoral, Kirchendisziplin. Nein, vom Menschen der modernen Zeit konnte man vieles an Hingabe und Engagement erwarten, aber gewiß nicht, daß er heimlich einen Stachelgürtel auf dem bloßen Leib trage, um ihn sich beim bloßen Gedanken an Stolz oder weltliche Freude, beim Lob schöner Frauen oder der Liebkosung von Kindern in die Haut zu pressen …
    Noch einmal – bei allem Respekt: Dieser Religiosität haftet etwas Elitäres, Puritanisch-Prüdes an, es ist eine spiritualistische Spiritualität der »wenigen Auserwählten« gegen die Masse der Ungläubigen. »J’ose prendre le parti de l’humanité contre le misanthrope sublime« – »Ich wage es, Partei für die Humanität zu ergreifen gegen den erhabenen Menschenfeind«, wird Voltaire – bei all seiner Spötterei gut französisch doch ein Moralist – in seinen »Bemerkungen zu den Pensées« (1734 in seinen »Lettres philosophiques«) schreiben, und hat er ganz unrecht?
    Wie immer man aber zu Pascal im einzelnen steht, ob mit Voltaire und den Enzyklopädisten, mit Aldous Huxley und manchen Marxisten sehr kritisch oder mit zahllosen Philosophen, Theologen und Literaten von Chateaubriand bis Charles Péguy voll der Bewunderung, man wird es zugeben müssen: Während Descartes, der bedeutendste Philosoph des französischen 17.   Jahrhunderts, heute fast nur noch von Philosophen gelesen wird und der Hofbischof Bossuet, der einflußreichste Theologe und Prediger desselben Jahrhunderts, bestenfalls nur noch von historischem Interesse ist, gilt von Pascal: »Nach drei Jahrhunderten steht er da, mitbeteiligt an unseren Streitfragen, ein Lebendiger. Auch seine geringsten Gedanken verwirren, entzücken und ärgern uns, aber er wird augenblicklich, schon beim ersten Wort, verstanden, viel besser als zu seinen Lebzeiten …« (François Mauriac).
    »Dichtung und Religion« (1985, mit Walter Jens), S.   10   –   29.

Freiheit des Christen
    Schon der junge Hans Küng interessierte sich neben seiner intensiven theologischen Forschung für Fragen der Spiritualität. Besonders eindrucksvoll ist das Porträt, das er Thomas More und dessen Verhältnis zu Eigentum, Familie und Staat gewidmet hat. Für Hans Küng lebte er die Freiheit eines Christenmenschen in exemplarischer Weise.
    Eigentum, Familie, Staat
    Ist dies das Gesicht eines Heiligen? … Merkt man diesem Mann an, dass ihm dieBergpredigt irgendeinen Eindruck gemacht hat? Das ist die Frage, die an Thomas More gerichtet ist, aber uns, uns Christen in der Welt, gilt. Sie lässt sich anhand der traditionellen – oft im

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