Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
Männer von Welt, beide wollten Christen sein. Heinrich VIII. , der sich kühn zum »alleinigen Beschützer und obersten Haupt der Kirche und Geistlichkeit Englands« erklären ließ, erscheint als der Welt verfallen, im familiären, im sozialen, im politischen Bereich: Sinnlichkeit, Reichtum, Macht waren seine Götzen, die er der Gottesherrschaft vorzog. Es soll nicht über Heinrich gerichtet werden, doch der Unterschied zu More zeigt klar, worauf es ankommt. Auch für More bedeuteten Familie, Eigentum und Staat viel. Aber weder die Familie noch der Reichtum noch die Macht waren seine Götzen. Gott allein war für ihn Gott. Als Weltmann, der sich der Welt aufrichtig freute, versuchte Sir Thomas inmitten der Welt als Christ nach dem Evangelium, in der Nachfolge Christi zu leben. Er tat es unauffällig und ohne davon Aufhebens zu machen. Wer würde schließlich beim Betrachten von Holbeins Bild auf die Idee kommen, dass dieser äußerlich so wenig einem »Heiligen« ähnliche Mann, der den kostbaren Pelz des Weltmannes zeigt, darunter – für manche Heutige vielleicht anstößig – längere Zeit ein raues härenes Hemd getragen, das ihn arg quälte, seine Kleider manchmal blutig werden ließ und von dem nur seine Lieblingstochter Margaret, die es wusch, etwas wissen durfte?
Wichtiger als solche Details ist, dass Thomas More in seinem ganzen Weltleben das Wort Pauli wahr machte, in dem wie in wenig anderen die Situation des Christen in der Welt ausgedrückt ist:
»Die, welche Frauen haben, seien so,
als hätten sie keine,
und die Weinenden,
als weinten sie nicht,
und die Fröhlichen,
als freuten sie sich nicht,
und die Kaufenden,
als behielten sie es nicht,
und die, welche die Welt benützen,
als nützten sie sie nicht aus« (1 Kor 7,29 – 31).
Das ist die Freiheit des Christen, der »in Christus« lebt, der sein ganzes alltägliches Leben unauffällig durch Christus bestimmt sein lässt. Das ist die Freiheit des Christen, die weit über das hinausgeht, was man schematisierend mit den drei »evangelischen Räten« bezeichnet: die Freiheit der Bergpredigt, die nicht »Räte« geben will, sondern Forderungen aufstellt, Forderungen für alle. Das also ist die frohe Freiheit des Christen, die dem Menschen in der Welt durch Gottes Gnade im Glauben geschenkt wird. Gott, der die Freiheit selbst ist, macht den unfreien Menschen frei: in Christus.
»Freiheit in der Welt« (1964), S. 15 – 20. 27 – 34 (teils gekürzt).
6. Tod – nicht Ende, sondern Vollendung
Ewiges Leben
Was meint ewiges Leben, und dürfen wir darauf hoffen? Diese komplexe, viele Menschen bedrängende und von vielen Menschen verdrängte Frage wird von Hans Küng im letzten Kapitel seines Buches »Ewiges Leben?« auf eine biblisch und philosophisch verantwortete Weise beantwortet.
Nur Gott schauen?
Es ist ein eindrucksvoller Text, dieses kleine Gedicht der spanischen Mystikerin Teresa de Avila , einer der bedeutendsten Frauen der Kirchengeschichte, die sich gegen unendlich viele Widerstände (nicht zuletzt die Inquisition) durchgesetzt hat:
O lux beatissima,
Strahlend Licht, dein seliger Glanz
Nada te turbe,
Nichts dich ängstige,
Nada te espante,
Nichts dich erschrecke,
Todo se pasa,
Alles vergeht,
Dios no se muda,
Gott ändert sich nicht,
La paciencia
Die Geduld
Todo lo alcanza;
Erreicht alles.
Quien a Dios tiene
Wer an Gott sich hält,
Nada le falta:
Dem fehlt nichts.
Sólo Dios basta.
Gott allein genügt.
Solo Dios basta? Genügt Gott allein? Vielleicht weniger an die große Teresa, die ihr Leben lang sehr menschen- und (sogar vom Kloster aus) weltbezogen blieb, stellt sich die Frage, sondern ganz allgemein an jene Mystik sowohl des Westens wie des Ostens, die ihren Namen vom griechischen »myein« hat, von (den Mund) »verschließen«. Die Frage an jene mystische Religiosität also, die bezüglich ihrer verborgenen »Geheimnisse« (»Mysterien«) vor profanen Ohren den Mund »verschließt«: um das Heil ganz im eigenen Inneren zu suchen. Weltabkehr und Inneneinkehr. »Mystik« also nicht, wie heute so oft, als vages Schlagwort verstanden, sondern sehr genau bestimmt, etwa mit Friedrich Heiler in seinem klassischen religionshistorisch-religionspsychologischen Werk über »Das Gebet«: Mystik als »jene Form des Gottesumgangs, bei der die Welt und das Ich radikal verneint werden, bei der die menschliche Persönlichkeit sich auflöst, untergeht, versinkt in dem unendlichen Einen der Gottheit«.
In dieser
Weitere Kostenlose Bücher