Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
vom Herunterfallen der Sterne und der Erschütterung der Himmelskräfte exakte Voraussagen über das Ende der Welt oder zumindest unserer Erde vor sich zu haben meinte, wer sie als eine Art chronologischer »Ent-hüllung« ( Apo-kalypsis ) oder als Informationen über die »letzten Dinge« am Ende der Weltgeschichte auffassen würde, würde die Texte mißverstehen.
Wie die biblischen Erzählungen vom Schöpfungswerk Gottes der damaligen Umwelt entnommen wurden, so die von Gottes Endwerk der zeitgenössischen Apokalyptik, einer von Endzeiterwartungen geprägten Zeitströmung um die Zeitenwende in Judentum und Christentum. Die gespenstischen Visionen der Apokalypse sind eine eindringliche Mahnung an die Menschheit und den einzelnen Menschen, den Ernst der Lage zu erkennen. Aber wie die biblische Protologie keine Reportage von Anfangs-Ereignissen sein kann, so die biblische Eschatologie keine Prognose von End-Ereignissen. Die Bibel spricht deshalb auch hier keine naturwissenschaftliche Faktensprache , sondern eine metaphorische Bildsprache . Auch hier wieder gilt von der biblischen Sprache :
– Bilder sind nicht wörtlich zu nehmen; sonst wird der Glaube zum Aberglauben.
– Bilder sind aber auch nicht abzulehnen , nur weil sie Bilder sind; sonst verkommt die Vernunft zum Rationalismus.
– Bilder dürfen nicht eliminiert oder auf abstrakte Begriffe reduziert werden, sondern sind richtig zu verstehen : Sie haben ihre eigene Vernunft, stellen Realität mit ihrer eigenen Logik dar, wollen die Tiefendimension, den Sinnzusammenhang der Wirklichkeit aufschließen. Es gilt also, die von ihnen gemeinte Sache neu aus dem Verstehens- und Vorstellungsrahmen von damals in den von heute zu übersetzen.
Alle diese biblischen Ankündigungen können also für uns keinesfalls ein Drehbuch von der Menschheitstragödie letztem Akt sein. Denn sie enthalten keine besonderen göttlichen »Offenbarungen«, die unsere Neugierde hinsichtlich des Endes befriedigen könnten. Hier erfahren wir gerade nicht – gewissermaßen mit unfehlbarer Genauigkeit –, was im einzelnen auf uns zukommt und wie es dann konkret zugehen wird. Wie die »ersten Dinge«, so sind auch die »letzten Dinge« direkten Erfahrungen nicht zugänglich . Für die »Ur-Zeit« wie für die »End-Zeit« gibt es keine menschlichen Zeugen. Und wie uns keine eindeutige wissenschaftliche Extrapolation gegeben ist, so auch keine genaue prophetische Prognose der definitiven Zukunft von Menschheit, Erde, Kosmos. Auch das biblische Bild der großen öffentlichen Gerichtsverhandlung der gesamten Menschheit, also der Milliarden und Abermilliarden von Menschen, ist eben ein Bild.
Was ist dann der Sinn dieser poetischen Bilder und Erzählungen vom Anfang und Ende? Sie stehen für das durch die reine Vernunft Unerforschliche, für das Erhoffte und Befürchtete. In den biblischen Aussagen über das Ende der Welt geht es um ein Glaubenszeugnis für die Vollendung des Wirkens Gottes an seiner Schöpfung: Auch am Ende der Geschichte von Welt und Mensch steht – Gott! Deshalb hat die Theologie keinen Anlaß, das eine oder andere wissenschaftliche Weltmodell zu favorisieren, wohl aber das Interesse, den Menschen Gott als Ursprung und Vollender der Welt und des Menschen verständlich zu machen. Auch hier ist nämlich jeder Mensch vor eine Option, eine Glaubensentscheidung gestellt. Nach der Botschaft der Bibel geht die Geschichte der Welt und das Leben des Menschen hin auf jenes letzte Ziel der Ziele , das wir Gott, eben den Vollender-Gott heißen. Und wenn der Mensch ihn auch wie den Schöpfergott nicht beweisen kann, so kann er ihn doch mit gutem Grund bejahen: in jenem für ihn so vernünftigen, geprüften, aufgeklärten Vertrauen , in dem er schon Gottes Existenz bejaht hat. Denn wenn der Gott, der existiert, wahrhaft Gott ist, dann ist er nicht nur Gott für mich jetzt und hier und heute, sondern Gott auch am Ende. Wenn Alpha, dann auch Omega: Gott, wie es in der Liturgie heißt, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Sterben ins Licht hinein
Ich persönlich habe Blaise Pascals »Wette« angenommen und setze – nicht aufgrund einer Wahrscheinlichkeitsrechnung oder mathematischer Logik, wohl aber aufgrund eines vernünftigen Vertrauens – auf Gott und Unendlich gegen Null und Nichts. Ich glaube nicht an die späteren legendarischen Ausgestaltungen der neutestamentlichen Auferstehungsbotschaft, wohl aber an ihren ursprünglichen Kern: Daß dieser Jesus von Nazaret nicht ins Nichts,
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