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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Gewissenskonflikte von Ärzten . Doch es vermögen diejenigen Ärzte kaum zu überzeugen, die – es gibt auch andere – öffentlich an den traditionellen Grundsätzen festhalten und gar mit Emphase jegliche aktive Sterbehilfe ablehnen, die aber in vielen Fällen, wo die Palliativtherapie an ihre unleugbaren Grenzen gestoßen ist, dann eben doch im Geheimen die Dosis Morphium mehr erhöhen, als dies notwendig wäre. Keine Frage: »Salus aegroti suprema lex«, das Wohl des Kranken ist oberstes Gesetz. Aber könnte nicht gerade dieses oberste Gesetz fordern, dem Kranken einen Schrecken ohne Ende zu ersparen zugunsten eines Endes ohne Schrecken?
    Gewiß, gerade Juristen sehen sich mit Normenkonflikten (Privatrecht – öffentliches Recht) konfrontiert und haben sich um die Auswirkungen von bestimmten Rechtsänderungen auf die gesamte Rechtsordnung zu kümmern. Aber mich vermögen diejenigen Juristen nicht zu überzeugen, die – es gibt auch andere –, ohne ihre weltanschaulichen Voraussetzungen zu reflektieren, sich formalistisch an das positive Recht (an das ius conditum ohne Blick auf das ius condendum) halten und gar nicht erkennen, daß gerade im Fall der Sterbehilfe »summum ius summa iniuria«, höchstes Recht allergrößtes Unrecht zur Folge haben kann.
    Gewiß, es fordern schließlich gerade Theologen und Kirchenmänner eine besondere moralische Sensibilität. Doch können mich diejenigen nicht überzeugen, die – es gibt auch andere – wie in der Frage der Abtreibung so auch in der Frage der Sterbehilfe ungerührt rigorose Standpunkte vertreten, die von der Großzahl der Menschen selbst ihrer eigenen Konfession nicht verstanden werden. Gerade die Kirchen und die katholische Kirche im besonderen sind aufgefordert, einen vernünftigen Weg der Mitte zwischen moralischem Rigorismus und amoralischem Libertinismus zu gehen, um so zu einem Konsens beizutragen und nicht die Gesellschaft durch Extrempositionen zu polarisieren und zu spalten; sonst wird die Deutsche Bischofskonferenz genauso wie die holländische am Ende (wie in der Abtreibungsdebatte) als die große Verliererin dastehen, weil sie, wie die holländische, die Unterstützung nicht nur der öffentlichen Meinung, sondern auch die der anderen christlichen Kirchen, ja, der meisten eigenen Kirchenmitglieder verloren hat. Oder muß es vielleicht auch bei uns noch so weit kommen wie in Frankreich, wo nach der neuesten Meinungsumfrage 83   Prozent der Bevölkerung sich in moralischen Fragen allein nach ihrem Gewissen und nur 1   Prozent (ein Prozent!) nach der Lehre der Kirche richten?
    Glücklicherweise rückt man denn auch selbst in katholischer Moraltheologie heute von solch rigoristischen Standpunkten zunehmend ab und betont, daß nicht die maximale Verlängerung des Lebens im biologischen Sinn der letzte Bewertungsmaßstab sein müsse, sondern die Verwirklichung der humanen Werte, denen das biologische Leben untergeordnet sei. So hat schon 1980 der katholische Tübinger Theologe Alfons Auer erklärt, die traditionelle theologische Begründung für die Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens (»Relationalität zu Gott«) sei »letztlich nicht überzeugend«. Nicht »jede Selbsttötung des Menschen (und damit auch nicht aktive Euthanasie)« sei deshalb »von vorneherein absolut und dezisiv als unsittlich auszuschließen«. Das Problem könne »nur auf dem Weg einer verantwortlichen Güterabwägung entschieden werden«. Ja, jeder Mensch hat nach Auer »ein Recht darauf, seine Gewissensentscheidung von anderen respektiert zu sehen. Der ethischen Reflexion steht es nicht zu, persönliche sittliche Entscheidungen zu bewerten. Ihr obliegt die Aufgabe, in den verschiedenen Bereichen menschlichen Lebens Verbindlichkeiten sichtbar zu machen und auf kommunikable Formeln zu bringen.« Und noch eindeutiger in dieser Frage haben sich andere Theologen wie die evangelischen Ethiker J. Fletcher und H. Kuitert sowie die katholischen Theologen P. Sporken und A. Holderegger geäußert. Doch schon Karl Barth hatte als »Grenzfall« bejaht, »daß nicht jede Selbst tötung an sich und als solche auch Selbst mord ist«: »Selbsttötung muß ja nicht notwendig ein Nehmen des eigenen Lebens sein. Ihr Sinn und ihre Absicht könnte ja auch eine bestimmte, allerdings extremste Form der dem Menschen befohlenen Hingabe seines Lebens sein.«
    Von daher fühle ich mich als Christ und Theologe ermutigt, nach langer »Güterabwägung« nun meinerseits öffentlich für einen

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