Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
sondern in Gott hinein gestorben ist. Im Vertrauen auf diese Botschaft hoffe also ich als Christ wie viele Menschen auch in anderen Religionen auf ein Sterben nicht in ein Nichts hinein, was mir höchst irrational und sinnlos vorkommt. Vielmehr auf ein Sterben in die allererste-allerletzte Wirklichkeit, in Gott hinein, was – jenseits von Raum und Zeit in der verborgenen Realdimension Unendlich – alle menschliche Vernunft und Vorstellung übersteigt. Welches Kind würde schon ohne besondere Kenntnis dem Kokon einer Raupe die freie, nicht mehr an die Erde gebundene, lichtvolle Existenz eines Schmetterlings zutrauen! Des bleibenden Risikos dieser Wette auf unbedingtes Vertrauen hin bin ich mir selbstverständlich bewußt, aber ich bin der Überzeugung: Selbst wenn ich die Wette im Tod verlöre, hätte ich für mein Leben nichts verloren, nein, ich hätte in jedem Fall besser, froher, sinnvoller gelebt, als wenn ich keine Hoffnung gehabt hätte.
Dies ist meine aufgeklärte, begründete Hoffnung: Sterben ist Abschied nach innen, ist Einkehr und Heimkehr in der Welt Urgrund und Ursprung, unsere wahre Heimat: ein Abschied – je nachdem – vielleicht nicht ohne Schmerz und Angst, aber hoffentlich doch in Gefaßtheit und Ergebenheit, jedenfalls ohne Gejammer und Wehklage, auch ohne Bitterkeit und Verzweiflung, vielmehr in hoffender Erwartung, stiller Gewißheit und (nachdem alles zu Regelnde geregelt ist) beschämter Dankbarkeit für all das Gute und weniger Gute, das nun endlich definitiv hinter uns liegt – Gott sei Dank.
So kann ich denn das unfaßbare Ganze der Wirklichkeit verstehen:
Gott als Alpha und Omega, der Anfang und das Ende aller Dinge.
Und deshalb ein Sterben ins Licht hinein :
Mit dem Wort vom Licht auf der ersten Seite der Bibel im Buche Genesis habe ich dieses Buch begonnen.
Mit dem Wort vom Licht auf der letzten Seite, der Offenbarung des Johannes, möchte ich sie beschließen:
»Und es wird keine Nacht mehr geben, und sie brauchen weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten, und sie werden herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit« (Apk 22,5).
»Der Anfang aller Dinge« (2005), S. 218 – 226.
Menschenwürdig sterben
Schon früh hat Hans Küng in der Sterbehilfe-Diskussion klar Stellung bezogen: Dem Menschen ist die Verantwortung für sein Leben wie für sein Sterben gegeben, und wer an ein Sterben in Gott hinein glaubt, muss das Leben nicht um jeden Preis verlängern. Der vorliegende Text ist ein entschiedenes von Spiritualität getragenes Plädoyer für ein wahrhaft »menschen-würdiges« Sterben.
Ein theologisch verantworteter Weg der Mitte
Natürlich bin auch ich mir völlig darüber im klaren, welche verderbliche Folgen ein Abweichen vom Prinzip der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens haben kann. Ich weiß, daß es wie im gegenwärtigen unbefriedigenden System so auch in einem künftigen Mißbräuche geben kann und geben wird: sozialer Druck auf Patienten etwa, endlich mit ihrem Leben Schluß und damit Platz für Jüngere zu machen oder Entlastung für Verwandtschaft und Gesellschaft zu schaffen. Und ich sage ebenso klar: Aller makabren Erbschleicherei von Verwandten und allen profitorientierten Sterbenachhilfen von Krankenkassen muß von Gesetzes wegen ebenso ein Riegel vorgeschoben werden wie der Ausnützung einer vorübergehenden Depression. Solche Mißbräuche müssen mit allen auch juristischen Mitteln bekämpft und mit Strafe bedroht werden.
Folgende Bedingungen für die Gewährung aktiver Sterbehilfe legt der reformierte Theologe Harry M. Kuitert (Amsterdam), von dem ich mich in mancher Hinsicht in meinen Auffassungen bestätigt sehe, fest:
(1) Das Ersuchen muß vom Kranken selbst und nicht von Angehörigen oder dem Pflegepersonal stammen und dem Arzt selber gegenüber wohlüberlegt und konsistent ausgesprochen sein (Ausdruck einer dauerhaften Todessehnsucht?).
(2) Der unerträgliche (oder als unerträglich erlebte?) Leidenszustand des Patienten muß ein solches Ersuchen rechtfertigen.
(3) Die Sterbehilfe ist allein dem Arzt vorbehalten, der zu einem sanften und nicht mißglückten oder schmerzhaften Tod verhelfen kann.
(4) Der Arzt hat sich zuerst mit einem (externen?) Kollegen (und den nächsten Angehörigen?) zu beraten bezüglich der Ernsthaftigkeit des Verlangens, der Richtigkeit der Beurteilung des Zustandes des Patienten und der verantwortungsvollen Ausführung der lebensbeendenden Maßnahme.
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