Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
allerwenigsten angebracht. Niemand weiß, wann und wie sein Tod erfolgen wird – und jeder Mensch stirbt in einem letzten Alleinsein seinen ureigenen Tod. Niemand weiß, was im entscheidenden Moment geschieht, ob man stirbt in Ruhe und Frieden oder in Panik, mit Ängsten, Schmerzen und Schreien. Deshalb: Nicht meiner selbst, allein der Vergebung und Gnade Gottes darf ich im Glauben an Jesus Christus gewiß sein. Doch die Hoffnung auf diesen Gott müßte mein Sterben anders sein lassen, als wenn ich keine Hoffnung hätte.
Und genau darauf zielten letztlich und endlich diese Ausführungen: auf eine andere, serenere, ja, menschenwürdigere Einstellung zum Sterben aus einer anderen Einstellung zu Gott. Viele Menschen haben uns dies vorgelebt. Wenn wir also einmal alle Beziehungen zu Menschen und Dingen abbrechen müssen, gewiß gestützt und geholfen von allen Künsten der Ärzte, und getröstet (für die, die es wünschen) von den Sakramenten der Kirche, dann bedeutet dies für den glaubenden Menschen einen Abschied von den Mitmenschen, einen Abschied nach innen, eine Einkehr und Heimkehr in seinen Urgrund und Ursprung, seine wahre Heimat: ein Abschied vielleicht nicht ohne Schmerz und Angst, aber doch in Gefaßtheit und Ergebenheit, jedenfalls ohne Gejammer und Wehklage, auch ohne Bitterkeit und Verzweiflung, vielmehr in hoffender Erwartung, stiller Gewißheit und (nachdem alles zu Regelnde geregelt ist) beschämter Dankbarkeit für all das Gute und weniger Gute, das nun endlich definitiv hinter uns liegt – Gott sei Dank. Ein solches Sterben in Gott hinein, im Bewußtsein beschämter Dankbarkeit – das schiene mir das zu sein, was wir vertrauensvoll erhoffen dürfen: ein wahrhaft menschen-würdiges Sterben.
»Menschenwürdig sterben« (1995), S. 66 – 75.
7. Weltreligionen – Horizont und Herausforderung
Lebensmodelle der Weltreligionen
Hans Küng wollte die Weltreligionen immer so verstehen, wie sie sich selber verstehen. Dass ihm dies gelingt, zeigt er eindrücklich in vorliegendem Gedankenspiel: »Was wäre, wenn ich anderswo geboren wäre?«
»Wenn Gott gewollt hätte, hätte Er euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht. Doch Er will euch in dem prüfen, was Er euch gegeben hat. Wetteifert darum im Guten.« (Koran, Sure 5,48.)
Ein Lebensweg mit Lebenssinn, getragen von einer Lebensmacht – aber nach welchem Lebensmodell?
Als ich im Jahre 1964 meine erste Reise um die Welt machte und mit staunenden Augen Asien erlebte, war ich ganz fasziniert von der Vielfalt der Gesichter: indische, thailändische, chinesische, japanische Frauen, Männer und Kinder. Beinahe langweilig kam es mir vor, als ich in San Francisco dann wieder überwiegend weiße Gesichter sah.
Religionen im Wettstreit
Nachdem wir auf unserer geistigen Bergtour die Steilwand zur Transzendenz überwunden haben, stellen wir fest, daß es verschiedene Wege zum Gipfel gibt. Die Vielfalt der Völker und Kulturen kommt schon am Anfang des ersten Buches der Hebräischen Bibel gewichtig zum Ausdruck. Nach der Sintfluterzählung werden »die Sippen der Söhne Noahs nach ihrer Abstammung in ihren Völkerschaften« namentlich aufgeführt; von ihnen aus hätten sich die Völker auf der Erde verzweigt. Allerdings seien sie aufgrund ihres hochmütigen Einheitswahns beim Turmbau zu Babel über die ganze Erde zerstreut und ihre Sprachen verwirrt worden (Gen 10 – 11).
Im Neuen Testament gibt die Pfingsterzählung der Apostelgeschichte (Kap. 2) eine Antwort auf die Sprachverwirrung: Die verschiedenen Völker mit ihren unterschiedlichen Sprachen – ausdrücklich auch Araber – werden genannt. In ihren verschiedenen Sprachen verstehen sie durch das Wirken des Geistes ein und dieselbe Botschaft.
Aber besonders der Koran anerkennt ausdrücklich die verschiedenen Religionen und sieht sie in einem Wettstreit für das Gute begriffen. Religionen sind wesentlich dafür verantwortlich, daß die Menschen sehr verschiedene Heilswege beschreiten. Die verschiedenen Kontinente stehen in einem globalen Wettbewerb und haben sehr unterschiedliche kulturelle und religiöse Profile ausgeprägt, die sich heute mehr denn je vergleichen lassen. Eine Einheitsreligion ist bei allen wirtschaftlichen und politischen Verflechtungsprozessen nicht in Sicht.
Wenn ich mich in anderen Kontinenten aufhielt, überlegte ich mir oft, was wohl aus mir geworden wäre, wenn ich nicht in Europa, sondern in einem anderen Kulturkreis geboren worden wäre. Vermutlich würde ich
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