Was danach geschah
ist.«
»Okay.« Sie nimmt all ihre Kraft zusammen. »Also, da du meine Anwältin bist, kann ich dir das wohl erzählen … ich bin Geistliche für diejenigen, die den roten Knopf drücken.«
»Für wen?«
»Die Luftwaffensoldaten, die in den Atomraketensilos sitzen. Du weißt schon, diejenigen, die den Knopf für den Start der Interkontinentalraketen drücken müssen, sobald der Präsident den Befehl dazu gibt.«
»Wirklich?« Ich bin beeindruckt. »Ich dachte, du wärst Militärgeistliche für die einfachen Soldaten und ihre Familien, oder so was.«
»War ich auch. Weißt du noch, wie ich dir vor einem Jahr erzählt habe, man werde mich an die Minot Air Force Base in North Dakota versetzen?«
»Ja.«
»Minot ist ein Militärstützpunkt mit einsatzbereiten Minuteman-Interkontinentalraketen. Wegen der Sensibilität ihres möglichen Einsatzbefehls und der besonderen Sicherheitsprüfungen, denen ich mich unterziehen musste, durfte ich von diesem Teil meiner Arbeit einschließlich der Betreuung dieser Soldaten und ihrer Familien niemandem etwas erzählen. Man will nicht, dass die Russen oder Nordkoreaner Geistliche zu Spionagezwecken missbrauchen.«
»Interessant. Und was ist passiert?«
»Ich bin gegen Atomwaffen«, antwortet Karen.
»Das könnte ein Problem sein, ist aber noch kein Hochverrat«, erwidere ich.
»Nun, ich habe einigen der Soldaten erzählt, dass es falsch ist, eine Atomrakete zu zünden, und sie sich weigern sollten, wenn sie den Befehl dazu erhalten.«
»Moment mal«, unterbreche ich sie. »Wenn du ›falsch‹ sagst, meinst du falsch wie in falsch, wenn wir nicht zuerst angegriffen werden, oder?«
»Nein«, antwortet Karen, »auch bei einem Vergeltungsschlag.«
»Wenn also die Russen oder Nordkoreaner die USA mit Atomraketen beschießen, dürfen wir nicht reagieren?«
»Wir müssen vergeben, Brek. Wir dürfen Gewalt nicht mit Gewalt erwidern.«
»Aber genau das tut das Militär«, sage ich ungläubig. »Sie halten Gewalt mit Gewalt in Schach. So funktioniert das beim Militär, und das ist ihre Daseinsberechtigung. Warum bist du Militärpfarrerin geworden, wenn du nicht mit dem übereinstimmst, was sie tun?«
Karen macht ein verdutztes Gesicht. »Würdest du einen Arzt fragen, warum er im Krankenhaus arbeitet, obwohl er Krankheiten nicht mag? Wir gehen dorthin, wo wir am meisten gebraucht werden, Brek. Ärzte arbeiten im Krankenhaus, weil dort Kranke sind, und Anwälte gehen in Gefängnisse, um dort Menschen zu helfen, die eines Verbrechens angeklagt sind. Niemand braucht mehr Hilfe bei der Ausübung von Gewaltfreiheit und Vergebung als Soldaten – und niemand beim Militär muss mehr darüber lernen als Menschen, die die Welt in einem Racheakt zerstören können.«
Ich bin erstaunt – es geht immer noch um die Gerichtsverhandlung wegen der Krebse. »Das klingt theoretisch alles ganz nett«, merke ich an. »Aber die beste Möglichkeit, einen Nuklearkrieg abzuwenden, ist, unseren Feinden klarzumachen, dass sie dasselbe Schicksal erleiden, wenn sie den ersten Schritt tun.«
»Aber wenn wir angegriffen werden, hat die nukleare Abschreckung per definitionem versagt«, widerspricht sie. »Wozu soll dann der Vergeltungsschlag noch gut sein?«
»Ich kann dir nicht folgen«, sage ich.
»Nehmen wir an, wir werden heute Nachmittag von Atomwaffen angegriffen«, erklärt Karen. »Das passiert dann trotz unserer Drohung von Vergeltung und gegenseitiger Zerstörung. Mit anderen Worten, unsere Drohung von Vergeltung hat nicht funktioniert – sie hat den Angriff nicht abgewendet.«
»Kann sein.«
»Wenn der Angriff also nicht abgewendet wurde, würde dank einer bereits fehlgeschlagenen Strategie die Welt mit einem Vergeltungsschlag zerstört werden. Das ist unlogisch und unmoralisch.«
Verärgert kratze ich mich am Kopf in dem Versuch, ihrer Logik zu folgen. »Sieh mal, ich bin nicht hier, um über nationale Nuklearstrategien zu diskutieren. Ich bin hier, um dich gegen den Vorwurf des Hochverrats und der Spionage zu verteidigen. Es gibt in diesem Land das Recht auf freie Meinungsäußerung, ein Recht, das wir übrigens mit Atomraketen schützen, und dies bedeutet, dass du alles sagen kannst, was du willst, egal, ob jemand zustimmt oder nicht. Deswegen verstehe ich immer noch nicht, warum du hier bist und was du falsch gemacht hast. Den Soldaten zu sagen, sie sollen die Raketen nicht zünden, kann eine Pflichtverletzung, aber noch keinen Hochverrat darstellen. Du hast keinen Krieg gegen die
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