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Was dein Herz nicht weiß

Was dein Herz nicht weiß

Titel: Was dein Herz nicht weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Park
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bringen.«
    Soo-Ja sah ihn an wie vom Donner gerührt. In diesem Augenblick begriff sie, dass man sie hinsichtlich des Familienvermögens getäuscht hatte. Die ersten Zweifel hatte sie bekommen, als sie die Kleiderschränke in den dürftig ausgestatteten Zimmern bemerkte. Im Gegensatz zu den antiken Nong und Bandajiim Haus ihres Vaters, die eine dunkle, dekorative Maserung von Zelkove oder Dattelpflaume aufwiesen, hatten die Schränke und Truhen in Mins Haus rostige Beschläge und waren aus Holz mit gewöhnlicher Maserung wie Kastanie oder Birnbaum gemacht. Sogar die Kleider, die sie trugen, schienen billig. Die Hanboks der Schwiegermutter und die von Na-yeong waren nicht aus glänzender Seide, sondern aus matter Ramiefaser. Zudem fehlten ihnen Kleinigkeiten wie die Einfassungen am Ärmelaufschlag.
    »Wie könnte ich ihn um Geld bitten?«, fragte Soo-Ja stirnrunzelnd. »Hat er dir nicht schon genug gegeben?«
    »Sei dir bewusst, dass ich dich jederzeit hinauswerfen kann, ohne jeden Grund«, bellte der Schwiegervater. »Niemand wird sich großartig darüber wundern, und wenn doch jemand fragt, kann ich sagen, dass du faul warst oder schmutzig oder dass du zu viel getrunken hast. Alle wären auf meiner Seite, und das weißt du.« Soo-Jas Augen brannten vor Wut. Sie dachte an die Schande, die sie über ihre Eltern bringen würde. »Sei dir im Klaren darüber, dass von heute an alles, was du isst, und jedes Kleidungsstück, das du trägst, meiner Großzügigkeit geschuldet sind. Ich werde genau Buch darüber führen, und für jeden Tag, der verstreicht, wird deine Schuld größer und größer werden. Und ich werde von deinem Vater mehr und mehr verlangen können.«
    Manchmal, wenn Soo-Ja auf dem Markt Lebensmittel kaufen musste, hielt sie an einem Zeitungskiosk und überflog die Schlagzeilen der Chosun Ilbo . Das Militär, das vor zwei Jahren die Macht übernommen hatte, war nun endlich bereit, die Regierungsgewalt aus der Hand zu geben. Bequemerweise entpuppte sich der vom Volk gewählte Kandidat als derselbe Mann, der zuvor den Staatsstreich inszeniert hatte, Chung-Hee Park. Seine Amtseinführung sollte in Kürze stattfinden.
    Während Soo-Ja ihren Korb mit Gerste und getrocknetem Seetang füllte, fragte sie sich, was sie jetzt wohl täte, wenn sie tatsächlich Diplomatin geworden wäre. Vielleicht würde sie gerade dem Botschafter von Uganda gegenübersitzen, in einer leichten blauen Seersucker-Jacke mit großen Knöpfen, einer weißen Seidenbluse und einem frisch gebügelten marineblauen Bleistiftrock, der eng an der Taille anlag. Sie würde der internationalen Gemeinschaft die Bedeutung des Wahlausgangs erläutern: »Es ist zwar nicht ideal, aber er zeigt, dass unser Land Richtung Freiheit marschiert. Südkorea beweist damit, dass es verdient, in die Vereinten Nationen aufgenommen zu werden. Allein in den letzten zwei Jahren haben wir diplomatische Beziehungen zu fünfunddreißig Nationen aufgenommen und werden uns von Russlands Blockadebemühungen nicht beirren lassen.«
    Mit einem nachdenklichen Lächeln auf den Lippen begab Soo-Ja sich auf den Heimweg. Unterwegs machte sie noch einen Abstecher zum Haus ihres Vaters, um ihre Familie zu besuchen. Ihrer Schwiegermutter erzählte sie nie von diesen Umwegen, weil sie wusste, dass sie sie deswegen anschreien würde.
    Die Schwiegermutter war ohnehin der Ansicht, dass Soo-Ja dort zu viel Zeit verbrachte. »Dein neues Heim ist hier bei uns.Du lebst dort nicht mehr. Hör auf, sie so oft zu besuchen. Liebst du sie denn mehr als uns?«, fragte sie immer.
    Ohne die Worte ihrer Schwiegermutter zu beachten, nahm Soo-Ja zusammen mit Hana den Bus nach Won-dae-don und ging zum Haus ihrer Eltern. Je näher sie kam, desto leichter wurde ihr ums Herz. Dies war ihr wahres Heim, das wusste sie tief in ihrem Inneren. Sie hatte kaum das Tor durchschritten, als sie schon die lauten Freudenschreie ihrer Brüder hörte, und dann kam ihre Mutter, die sich beschwerte, weil sie das gute Geschirr herausholen musste.
    Soo-Jas Mutter nahm Hana bei der Hand und führte sie ins Haus, wo der Vater im Wohnzimmer saß und wartete. Er war milder geworden, seit Soo-Ja das Haus verlassen hatte. Es hatte ihrem Verhältnis gutgetan, sich nicht mehr täglich sehen zu müssen – vielleicht war dies das Geheimnis so mancher harmonischer Vater-Tochter-Beziehung.
    Soo-Ja bedeutete Hana, ihm ein Küsschen auf die Wange zu geben, und dann wechselten sich Hana und ihr Großvater damit ab, sich gegenseitig mit

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