Was dein Herz nicht weiß
Küssen zu überdecken.
»Hana, wer ist das?«, fragte Soo-Ja lebhaft.
»Großpapa!«, antwortete Hana.
»Liebt Hana den Großpapa?«
»Ja!«
»Wie sehr liebt Hana den Großpapa?«
Hana runzelte die Stirn und wurde plötzlich sehr ernst. »Zu sehr!«
Soo-Ja lachte über den Ernst ihrer Tochter. »Zu sehr? Das ist aber viel. Liebt Hana den Großpapa mehr als Süßigkeiten?«
Das kleine Kind schien für einen Moment in Gedanken versunken, als müsse es eine ungemein wichtige Entscheidung treffen. Schließlich nickte Hana bedeutsam.
»Großpapa ist eine Süßigkeit!«
Soo-Ja lachte. »Großpapa isteine Süßigkeit? Willst du ihn etwa essen? Yan, yan, yan? «
»Ja!« Hana lächelte verlegen und tat dann so, als würde sie kauen, wobei sie Soo-Ja nachahmte: » Yan, yan, yan. «
Die Mutter schnitt eine Melone in Scheiben und servierte sie mit Tee, eine Geste, die in Soo-Ja das traurige Gefühl erweckte, dass die Schwiegermutter recht hatte: Sie war tatsächlich ein Gast in ihrem eigenen Haus geworden.
»Ach, wenn ich daran denke, was ich alles verpasst hätte, wenn ich in den Westen gezogen wäre«, bemerkte Soo-Ja.
»Du könntest noch immer Diplomatin werden, weißt du«, sagte der Vater mit einem Unterton von Schuldgefühlen in der Stimme. Soo-Ja lag eine bittere Entgegnung auf der Zunge, aber dann entschloss sie sich, sie herunterzuschlucken. Sie wusste, dass die Bemerkung des Vaters so gut wie eine Entschuldigung war, nach seinen Maßstäben jedenfalls. Sie beobachtete, wie er ein Bein über das andere schlug und die Arme auf dem Knie abstützte. »Deine Mutter und ich könnten tagsüber auf Hana aufpassen.«
»Ach, Appa, du weißt doch, dass Min und seine Eltern das niemals zulassen würden.«
»Warum lässt du dich dann nicht scheiden?«
Soo-Jas Mutter starrte ihren Ehemann an. »Bring sie doch nicht auf solche Ideen! Nicht einmal im Scherz.«
»Ja, Vater, du hast Mutter gehört: Nicht einmal im Scherz! «, spottete Soo-Ja.
Soo-Jas Mutter steckte sich eine Zigarette an. Als Hana das sah, ging sie zu ihrer Großmutter und versuchte, ihr das Feuerzeug wegzunehmen.
»Dein Vater vermisst dich sehr«, fuhr die Mutter fort. »Du solltest sehen, wie er abends weint. Er macht all deine Bilder nass mit seinen Tränen.«
»Du wirst altersmilde, Appa«, sagte Soo-Ja ruhig. »Aber es ist ja nicht so, dass ich gestorben oder fortgezogen wäre. Ich wohne gar nicht weit weg, und ich komme auch immer wieder auf einen Besuch vorbei.«
»Ich weine nicht bloß, weil ich dich vermisse. Ich weine aus Sorge um dich«, sagte der Vater und versuchte, Soo-Jas plötzliche Stille zu überbrücken. »Wenn du eine gute Partie gemacht hättest, könnte ich ja ruhig bleiben. Aber du … in diesem Haus … bei diesen Leuten … «
»Es ist wirklich an der Zeit, dass sie reifer wird«, bemerkte die Mutter. »Eine Frau ändert sich, wenn sie ein Kind hat.«
Der Vater schüttelte den Kopf. Seine Miene glich der eines Mannes, der sich Tag und Nacht an seinem Kunstwerk abgemüht hatte und dann zusehen musste, wie es ruiniert wurde. »Ich habe so oft mit dir gestritten, weil ich wollte, dass du ein gutes Leben hast. Vielleicht hätte ich dich einfach tun lassen sollen, was du für richtig hieltst.«
»Appa, es ist gut so. Auf dieser Welt gibt es nichts Vollkommenes. Es könnte doch alles noch viel schlimmer sein.« Soo-Ja dachte über die Forderung ihres Schwiegervaters nach. Natürlich würde ihr Vater ihr das Geld geben. Sollte sie jetzt danach fragen?
Aber bevor sie das Thema anschneiden konnte, unterbrach die Mutter wiederum. »Sie hat recht. Schau nur auf ihre Freundin Jae-Hwa. Schau, wie sie leben muss.«
»Was meinst du damit?«, wollte Soo-Ja von ihr wissen.
»Hat Jae-Hwa dir nichts gesagt?«, fragte der Vater.
Soo-Ja fühlte sich einen Augenblick lang schuldig. Sie hatte monatelang nicht mit Jae-Hwa gesprochen, da sie vollauf mit dem Haushalt und mit Hana beschäftigt gewesen war. Jae-Hwa war einmal bei ihr vorbeigekommen, aber Soo-Ja war nicht zu Hause gewesen. Die Schwiegermutter hatte ihr davon berichtet, und Soo-Ja hatte sich vorgenommen, den Besuch zu erwidern. Aber sie hatte es nie getan.
»Sang-Kyus Mutter lebt gegenüber von ihnen auf der anderen Straßenseite. Sie sagt … « Die Stimme der Mutter versagte.
»Was sagt sie?«, fragte Soo-Ja. »Ist Jae-Hwa nicht glücklich mit ihrem Ehemann?«
»Er schlägt sie«, platzte der Vater heraus.
»Was? Wie lange geht das schon so?«, wollte Soo-Ja
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