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Was dein Herz nicht weiß

Was dein Herz nicht weiß

Titel: Was dein Herz nicht weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Park
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darin. Warum hatte er den Lappen losgelassen, warum hatte er sie losgelassen? Warum hatte er nicht weiter festgehalten?
    »Heißt das, du denkst gar nicht mehr an mich? Ich weiß noch, wie wir uns zum letzten Mal gesehen haben, und deinen Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen. Ich hätte schwören können, du wärst mit mir durchgebrannt.«
    »Warum sind wir denn nicht miteinander durchgebrannt?«, fragte Soo-Ja. Sie sehnte sich danach, endlich durch die Oberfläche zu brechen und nach Luft zu schnappen. »Na schön, du willst, dass ich dir sage, ob ich dich noch – liebe ? Ist das das Wort, von dem du glaubst, ich vermeide es? Liebe? Das könnte ich sehr wohl aussprechen. Aber was haben wir davon? Rein gar nichts, außer, dass wir uns schlecht fühlen.«
    »So empfindest du also?«
    »Ich bin eine verheiratete Frau. Ich kann nicht einfach so über meine Gefühle sprechen.« Das stimmte, aber sie sagte es nur, weil sie fürchtete, sie könnte nicht mehr aufhören, wenn sie einmal angefangen hatte. »Deine Frau wohnt nur ein paar Meter weiter den Flur hinunter.«
    »Ich weiß. Ich dachte, ich würde dich mit der Zeit vergessen, aber das ist mir nicht gelungen. Als ich jünger war, glaubte ich, es wäre im Herzen immer nur Platz für einen einzigen Menschen. Und jedes Mal, wenn man jemanden kennenlernte, müsste man denjenigen, der vorher dort lebte, hinauswerfen. Aber jetzt ist mir klar geworden, dass es viele Zimmer in einem Herzen gibt. Man muss seiner alten Liebe nicht die Tür weisen, sie bleibt einfach da und wartet auf einen.«
    Soo-Ja spürte, dass er sie auf der Stelle küssen würde, wenn sie es ihm erlaubte. Und da begriff sie, dass sie sich nicht wünschte, ihn in der Gegenwart für sich zu haben – wie konnte sie auch, wo er doch eine Frau hatte und sie einen Mann. Nein, sie wollte die Vergangenheit neu schreiben, ihn mit einer Zeitmaschine einige Jahre zurückschicken, damit er alles ändern und so ordnen konnte, dass sie sich jetzt küssen dürften. Es hätte keiner großen Anstrengungen bedurft, ihn nun zu küssen; sie hätte nur einen Schritt machen und ihr Gesicht leicht zu ihm hinzudrehen brauchen. Aber in Wirklichkeit hätte man die gesamte Molekülstruktur zwischen ihnen ändern müssen, angefangen von ihrem ersten Treffen bis zum heutigen Tag.
    »Yul, vergiss mich. Solange du hier bist, werde ich dich als einen Gast betrachten.«
    Wie konnte ich dich nur zurückweisen, um stattdessen Min zu heiraten? , fragte sich Soo-Ja, die nun die Vergangenheit im kalten Licht der Gegenwart vor sich sah. Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht.
    Als ihr schwindlig wurde, verließ sie das Zimmer und war froh darüber, dass ihr auf dem Flur kein Gast entgegenkam. Ansonsten hätte derjenige sie vielleicht dabei gesehen, wie sie in Tränen ausbrach und heftig und gepresst atmete, und er hätte sich sicherlich gefragt, was ihr gerade zugestoßen war.



12
    Im Laufe der nächsten Tage erfuhr Soo-Ja immer mehr Einzelheiten über Eun-Mee. So erfuhr sie, dass Yuls Ehefrau sich schon bei mehreren Gelegenheiten einen Namen gemacht hatte. Beim ersten Mal, mit zehn Jahren, durfte sie bei der Wiedereröffnung des Namdaemun-Marktes nach dem Krieg feierlich das Band durchtrennen. Sie trug ein rosa Samtkleid mit Puffärmeln und Rüschensaum, und ihr Foto hatte es bis auf die Titelseite der Chuson Ilbo geschafft, woraufhin sogar die kleinen Mädchen aus Pjöngjang ihren Stil nachmachten.
    Die Marktfunktionäre waren Eun-Mee dankbar für die kostenlose Werbung und wollten ihr ein Geschenk machen: eine Ente aus Glas. Doch sie lehnte ab, weil sie sich etwas anderes wünschte – sehr zum Schrecken der Verantwortlichen, die schon befürchteten, sie wolle Geld. Aber Eun-Mee verlangte stattdessen, immer freien Zugang zu allen Geschäften und Buden zu bekommen, und ließ sich als »Königin des Namdaemun-Marktes« titulieren. Und so verbrachte sie ein Jahr lang jede freie Minute nach der Schule im Labyrinth der Marktgassen. Sie betrat die Geschäfte, um mit den Inhabern zu plaudern und Brettspiele mit ihnen zu spielen, wohl wissend, dass man sie nicht hinauswerfen konnte. Egal, wie beschäftigt sie waren, wenn Eun-Mee kam, mussten sie ihre Arbeit unterbrechen und sie unterhalten.
    Soo-Ja hatte ebenfalls gehört, dass Eun-Mee in der Oberschule an mehreren Schönheitswettbewerben teilgenommen und sich auch um den Titel der Miss Seoul beworben hatte. Bei einem Fototermin in der Vorrunde – einem sehr bescheidenen Ereignis, bei

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