Was dein Herz verspricht
nahm ebenfalls einen Schluck aus seinem Glas. Sein Haar war zerwühlt, sein Hemd mit dem Spitzenkragen ein paar Knöpfe weit geöffnet. Glatte dunkle Haut bedeckt mit lockigem schwarzem Brusthaar lugte daraus vor. Er sah attraktiv und draufgängerisch aus und war ganz offensichtlich betrunken, obwohl ihm St. George eindeutig einige Gläser voraus hatte.
Elizabeth richtete sich gerade auf. »Ja, ich glaube, das war erst gestern nachmittag.« Sie war Nigel Wicker mit Ravenworth im Labyrinth des Hauses begegnet, und der Graf war gezwungen gewesen, sie einander vorzustellen.
Sie zwang sich zu einem Lächeln »Guten Abend, Mylord«, aber ihr Blick blieb auf den Grafen gerichtet und sie dachte, was es doch für eine Verschwendung war, wenn ein Mann wie er sich so gehenließ. »Wie ich schon sagte, es tut mir leid, daß ich Euch unterbreche, aber ich bleibe nicht lange.«
»Bleibt, solange Ihr wollt, meine Liebe«, lallte der Baron und beugte sich gefährlich weit zu ihr vor. »Ein hübsches kleines Ding wie Ihr kann mich jederzeit stören.« Bis zu dem Augenblick, als sein Arm sich zu ihrer Taille ausstreckte, hatte sie nicht bemerkt, wie nah sie bei ihm stand. »Mein Gott, Nick, alter Junge, die ist ja wirklich ein wohlgeformtes Stück -«
In dem Moment war Nick aus seinem Sessel gesprungen, die Zigarre fiel zu Boden, sein Drink ergoß sich auf den Tisch. St. Georges fette Hand erreichte sie gar nicht ganz, denn die dunklen, langen Finger des Grafen schlossen sich schmerzhaft um sein Handgelenk.
»Ich habe Euch schon einmal gesagt, daß das Mädchen tabu ist für alle Männer hier. Ich dachte, das wäre klar gewesen.«
Die fleischigen Lippen des Barons öffneten sich vor Schmerz, und Nick löste seinen Griff. Elizabeth drückte sich rückwärts an die Bücher. Mit einem Blick auf sie breitete sich langsam ein lüsternes Lächeln auf dem Gesicht des Barons aus. »Sehr klar, mein Freund. Ich wußte nicht, daß Ihr selbst an der Dame interessiert seid.«
Ravenworths Mund wurde warnend schmal. »Das Mädchen ist mein Mündel, sonst nichts. Denkt daran, St. George, dann haben wir kein Problem damit.«
Elizabeth starrte die beiden wortlos an. Im Geiste sah sie noch einmal, wie der Graf mit der Grazie eines Panthers aus seinem Sessel geschossen war - keine Spur von dem Betrunkenen, der er zu sein schien.
»Elizabeth?« sagte er leise. »Geht es Euch gut?«
Sie blinzelte mehrmals, holte tief Luft. »Ja... ja, natürlich. Ich hole nur das Buch und gehe wieder nach oben.«
»In Ordnung, aber schnell.«
Sie trödelte nicht lange, sondern nahm sich nur kurz einen von Mrs. Radliffes Mittelalterromanen, die sie dort vor ein paar Tagen entdeckt hatte, und hastete hinaus.
Hinter sich hörte sie das Brummen der Männerstimmen. Sie fragte sich flüchtig, worüber sie wohl redeten, aber hauptsächlich dachte sie an Ravenworth. Er war nicht betrunken gewesen, nicht echt. Ihr Verdacht wuchs, daß der Mann überhaupt nicht der Mann war, der er zu sein vorgab. Er faszinierte sie mehr als jeder andere Mann, dem sie je begegnet war.
Ihr Herz schlug schneller, als sie beschloß, daß sie irgendwie herausfinden würde, was der »Verruchte Graf« wirklich für ein Mann war.
Wolken zogen über den Himmel und zeichneten flüchtige Schatten auf ferne Felder. Dann kämpfte sich die Sonne wieder hervor, und Nick spürte durch das Glas seines Schlafzimmerfensters die Wärme auf dem Gesicht. Er sah hinunter in den Garten und beobachtete Elizabeth Woolcot, die über die Kieswege spazierte.
Heute war sie nicht allein. Sie hielt zwei von den Kindern der Bediensteten an den Händen, McCanns Sohn Petey und Theos kleine Tochter Tildy. Wahrscheinlich erzählt sie ihnen etwas über die Vögel, stellte er sich vor und lächelte.
Sie ist gut mit Kindern, dachte er, während er ihr vergnügtes Lachen hörte, als die kleine Tildy sich bückte, eine Schnecke nahm und sie hochhob, als ob das ein seltener Schatz wäre. Sie würde eines Tages eine gute Mutter werden.
Der Gedanke durchfuhr ihn und weckte unangenehme Gefühle. Rachael war leider anders. Und auch Miriam Beechcroft und so viele andere Frauen, die er kannte. Eher wie seine Mutter oder vielleicht wie seine Schwester Maggie.
Nick hatte Kinder immer gern gehabt. Sie waren für ihn die Essenz des Lebens, seine eigentliche Freude. Ohne Kinder war die Welt weniger hell, weniger strahlend. Er sah den Kindern zu, die zwischen den Hecken herumliefen, wo es ihnen der Gärtner sonst nicht erlaubte, und
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