Was dein Herz verspricht
vor, sie heute zu reiten. In einem pflaumenfarbenen Reitkleid mit elegantem schmalem Hut ging sie neben dem Reitknecht her, der die Stute zu einem Stein führte, den Elizabeth zum Aufsteigen in den Damensattel benutzen konnte.
»Seid Ihr sicher, daß Ihr nicht wollt, daß ich Euch begleite?« fragte Freddy. Er war ein untersetzter Mann, schmal und drahtig. In seiner Jugend war er bei den Epson Downs als Jockey geritten. Inzwischen ging er leicht gebeugt, doch er wußte mehr über Pferde als jeder andere Mann, den Elizabeth kannte.
»Keine Sorge, Freddy.«
»Seine Lordschaft mag’s bestimmt nich’ besonders, wenn Ihr ganz allein losreitet.«
Sie beugte sich vor, um die Stute am Hals zu tätscheln, die sofort den hübschen Kopf hob. »Ich reite nicht weit, nur bis zum Waldrand und zurück.« Sasha schnaubte und stampfte, denn sie wollte genausogern los wie sie selbst. »Ich bin jetzt schon so lange im Haus bei den anderen, daß ich wirklich gern etwas allein sein möchte.«
Freddy lächelte, als könnte er sie verstehen. »Ganz wie Ihr wollt, Miss.«
Sie ließ die Stute losgehen, brauchte aber ein paar Minuten, um sich richtig an den Sattel zu gewöhnen, den Gang des Pferdes kennenzulernen und sich seinem Rhythmus anzupassen.
Als sie schließlich dahingaloppierte, lächelte Elizabeth, legte den Kopf in den Nachen und genoß das Gefühl von Wind und Sonne auf dem Gesicht. Sie ritt über die Hügel, hielt ab und zu an und sah sich einfach nur in der fruchtbaren Landschaft um. Allzubald erreichte sie den Waldrand. Sie betrachtete die dicht beieinander stehenden Bäume und schaute noch einmal zurück zum Haus.
Sie hatte versprochen, nur bis hierher zu reiten, aber es war ein so schöner Tag, daß sie nicht widerstehen konnte. Sie lenkte Sasha zur weiter entfernten Hügelkuppe, als sie etwas in der Sonne blitzen sah. Aus den Bäumen am Rand des Waldes kamen zwei Reiter hervor und galoppierten den Hügel hinunter auf sie zu.
Sie fragte sich, wer sie wohl sein mochten und warum sie es so eilig hatten. Eventuell waren es Bauern, vielleicht aber auch Freunde des Grafen. Als sie näher kamen, erkannte sie jedoch ihre ungekämmten Bärte und den Schmutz auf ihren verkommenen Kleidern. Und plötzlich wurde ihr unbehaglich.
Zum erstenmal fiel ihr auf, wie weit sie sich tatsächlich vom Haus entfernt hatte. Sie starrte den beiden entgegen, und ihr Unbehagen schlug in Angst um. Mein Gott, und wenn sie ihr etwas antun wollten? Wenn sie Wegelagerer oder Räuber waren?
Sie kamen jetzt rasch näher und ritten in vollem Galopp. Endlich reagierte Elizabeth. Sie riß die Stute herum, beugte sich über den Hals des Pferdes und ließ es losrennen, so schnell es konnte. Bestimmt würden ihr die Männer gar nicht folgen, versuchte sie sich zu beruhigen.
Doch als sie über die Schulter zurücksah, hörte sie den einen der beiden fluchen, während der andere seinem Pferd einen heftigen Schlag mit der Peitsche gab. Das Donnern der sie verfolgenden Hufe nahm zu, als die beiden in gestreckten Galopp verfielen.
Ihr Herz schlug heftig. Herr im Himmel! Zweifellos hatten es die beiden Männer tatsächlich auf sie abgesehen und würden Gott weiß was mit ihr anstellen, wenn sie sie erwischten. Elizabeth beugte sich noch weiter über die Stute, flüsterte ihr ermutigend zu, drängte sie, noch schneller zu werden. O Gott, was wollten die nur von ihr!
Mit einem Mal wurde ihr klar, was sie schon von Anfang an hätte ahnen sollen: Es war Bascomb! Oder genauer gesagt, Bascombs Leute, und sie versuchten, sie zu entführen! Elizabeth’ Magen verkrampfte sich. Sie hatte sich eingeredet, sie wäre sicher in Ravenworth Hall. Doch irgendwo tief im Innern hatte sie gewußt, daß der verhaßte Graf so etwas versuchen könnte.
Ihre Hände waren feucht in den Handschuhen, ihr Mund trocken wie Pergament. Elizabeth sah über die Schulter. Himmel, sie kamen näher!
»Anhalten!« rief einer der beiden Männer. »Verdammt, tu, was ich sag’, bevor dir was passiert!«
Anhalten? dachte Elizabeth mit heftig pochendem Herzen, um nichts in der Welt! Sie sah die beiden stetig näher kommen, doch dann entdeckte sie auf dem Hügel vor sich die Türme von Ravenworth Hall und schöpfte neue Hoffnung.
Sie drängte die Stute vorwärts. Wenn sie daran dachte, daß sie in die Hände von Oliver Hampton geraten könnte, drehte sich ihr der Magen um. Mit einem stillen Gebet richtete sie ihren Blick nach vorn. Eine steinere Mauer lag zwischen ihr und dem Haus, ein
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