Was dein Herz verspricht
Zimmers ausgestreckt sah, unter dem Körper der schlanken Rothaarigen, die sie aus der Kutsche hatte steigen sehen. Die Frau lag halb über ihm, das Kleid geöffnet, und die dunkle Hand des Grafens rieb ihre eine Brust. Elizabeth sah, wie sie ihn küßte und mit einer Hand über seine bloße Brust strich, wo sie sein weißes Hemd geöffnet hatte.
Elizabeth schwankte, und ihre Beine gaben plötzlich nach. Ihre Finger ließen die Tür los, die sich daraufhin weiter öffnete. Ein leises Wimmern entrang sich ihrer Kehle, der Milchbecher rutschte aus ihrer Hand und landete krachend auf dem Boden.
Mehrere Köpfe wandten sich in ihre Richtung, doch nur ein Augenpaar blieb auf das ihre gerichtet. Einen Moment lang starrte Nicholas sie an, als könne er nicht glauben, daß sie wirklich da war. Tränen verschleierten ihren Blick, doch sie konnte sich nicht von der Stelle bewegen. Mit einem heftigen Fluch sprang Nicholas so abrupt vom Sofa, daß die Rothaarige zu Boden geschleudert wurde.
»Verdammt noch mal«, zeterte die Frau, doch Nicholas achtete nicht weiter auf sie und strebte mit langen Schritten zur Tür hinüber.
Jetzt kam Leben in Elizabeth. Sie richtete sich steil auf und rannte los um die nächste Ecke, weiter, und um noch eine Ecke.
»Elizabeth, warte!« hallte Nicholas’ Stimme durch den Flur. Sie sah ihn um die Ecke kommen, das Hemd geöffnet, die Haare zerwühlt. Sie hatte einen Kloß im Hals und immer noch den Schmerz in der Brust.
»Laßt mich in Ruh!« Sie hetzte weiter, erreichte die Tür zum Garten, stieß sie auf und lief hinaus, ohne stehenzubleiben bis hinunter zu einer hohen Buche am unteren Ende des Gartens, wo sie wegen heftigem Seitenstechen haltmachte. Ihr Gesicht war naß von Tränen, ihr Magen schien sich umstülpen zu wollen.
Sie ließ sich auf eine gußeiserne Bank fallen, drehte sich zur Rückenlehne und begann zu weinen.
»Elizabeth?« Nicholas Warrings Stimme klang rauh. Sie wußte, daß er nur ein paar Schritte entfernt hinter ihr auf dem Pfad stand. Trotzdem weigerte sie sich, ihn anzusehen.
»Bitte geht weg«, flüsterte sie. »Bitte...«
Er blieb stumm und wie angewurzelt stehen. Minuten vergingen. Schließlich drehte sich Elizabeth um und atmete tief durch.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Mein Gott, es tut mir so verdammt leid.«
Sie schüttelte nur den Kopf, aber ihr Herz fühlte sich an, als hätte er es mit seinen hohen schwarzen Stiefeln getreten. Sie wollte auf keinen Fall, daß er bemerkte, wie sehr er sie verletzt hatte. Also hob sie das Kinn und bemühte sich um Fassung.
»Ihr hattet mir befohlen, ich sollte in meinem Zimmer bleiben. Ich hätte... darauf hören sollen.« Sie holte unsicher Luft und hoffte, in der Dunkelheit wären ihre Tränen nicht zu sehen. Dabei dachte sie jedoch die ganze Zeit: Wie konntest du das tun? Mich erst so küssen und dann etwas mit einer Frau anfangen, die du nicht einmal kennst?
Nicholas trat einen Schritt näher und streckte die Hand aus, als wolle er sie berühren. Sie fuhr sofort zurück, und er ließ die Hand sinken.
»Elizabeth, bitte, ich weiß, was Ihr denken müßt...« Seine Stimme klang rauh, als täte ihm das Sprechen weh. »Bis ich Euch gerade in der Tür stehen sah, hatte ich noch nicht begriffen, was für ein Mensch aus mir geworden ist.«
Elizabeth antwortete nicht, wünschte nur, er würde Weggehen. »Ihr habt mich gewarnt«, sagte sie schließlich und haßte sich selbst, weil sie ihn für etwas gehalten hatte, was er gar nicht war. »Es war mein Fehler.« Zu ihrem Entsetzen brach ihre Stimme. »Ich hätte nicht hinuntergehen sollen.«
Nicholas’ Augen blitzten auf, er ballte eine Hand zur Faust, sagte dann aber nur leise: »Nein, das hättet Ihr wirklich nicht tun sollen. Und ich hätte mich nicht im Heim meiner Familie mit einer Hure einlassen sollen. Ich kann Euch jetzt nur noch versichern, daß sie alle bis zum Morgengrauen verschwinden werden. Und ich verspreche Euch, Elizabeth, etwas Derartiges wird in diesem Haus nicht wieder Vorkommen.«
Elizabeth sah ihn nur wortlos an und versuchte, nicht daran zu denken, wie die Hand der Rothaarigen über seine Brust gestrichen hatte und wie ihre Brüste zwischen seinen Fingern hervorgequollen waren.
Nicholas wandte den Blick ab ins Dunkel, sah dann wieder Elizabeth an. Sosehr sie sich bemühte, es zu verstecken, sie wußte, daß er ihren Schmerz sehen konnte. Und es war ein Schmerz, zu dem sie kein Recht hatte.
»Mir ist ganz elend, wenn ich daran denke, was Ihr
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