Was dein Herz verspricht
zusehends geschmackloser. Er war der Rolle müde geworden, die er gespielt hatte, und ebenso seine bisherigen Bekannten. Und dann plötzlich hatte er begriffen, daß der Zeitpunkt gekommen war, sein Leben zu ändern.
Er hatte in dieser Richtung schon einiges unternommen: St. George und seinen Kumpanen war höflich klargemacht worden, daß ihre Anwesenheit hier nicht weiter erwünscht war, und andere Leute dieser Art würden die gleiche Nachricht bekommen.
Natürlich war es nicht richtig, was Elizabeth seinetwegen hatte erdulden müssen. Aber vielleicht war es am besten so. Sie ahnte nichts von dem Begehren, das seine Lenden erfüllte, wann immer er sie sah. Sie verstand die Lust nicht, die er versucht hatte, zurückzuhalten. Sie haßte ihn jetzt und würde ihm aus dem Weg gehen. Was geschehen war, würde sie schützen.
Der Gedanke legte sich wie ein finsteres Netz über ihn, wie ein Umhang aus bitterer Einsamkeit.
Elizabeth verbrachte die nächsten paar Tage mit Arbeit im Gewächshaus. Sie hatte ihrer Tante nichts von den Ereignissen in jener Nacht erzählt und überließ es ihrer Phantasie, sich zusammenzureimen, warum sie plötzlich kaum noch Appetit hatte. Inzwischen pflanzte Elizabeth Anemonen, Stiefmütterchen und Tulpen aus dem Garten ins Gewächshaus, um etwas Farbe hineinzubringen - und um einfach etwas zu tun zu haben.
Abends gab sie sich besondere Mühe, dem Grafen auf keinen Fall zu begegnen. Bei dem Gedanken an ihn und den Klang seiner Stimme verstärkte sich der Schmerz in ihrer Brust.
Wie er versprochen hatte, waren seine Freunde am folgenden Tag verschwunden, und seitdem wirkte das Haus seltsam leer. Man hatte ihr und ihrer Tante mitgeteilt, das Haus stände ihnen von jetzt an zur freien Verfügung und das Abendessen würde im offiziellen Speiseraum serviert.
Elizabeth hatte am ersten Abend Kopfschmerzen vorgetäuscht, so daß ihre Tante allein essen mußte, denn der Graf war nicht erschienen, weil er noch bis spät auf den Feldern unterwegs war. Am zweiten und dritten Abend war der Graf auch nicht da, und als Elizabeth sich dann hinunterwagte, war der Graf ebenfalls nicht erschienen.
Elizabeth hatte angefangen, sich Gedanken über sein Fernbleiben zu machen, so wie jetzt, als sie über ein frisches Blumenbeet gebeugt war, die Hände bis zu den Gelenken in frische Erde getaucht. Er mied sie genauso wie sie ihn. Es schien immerhin ein positives Zeichen, daß er überhaupt ein Gewissen besaß. Elizabeth fragte sich, ob es nicht doch tatsächlich Schmerz gewesen war, was sie in jener Nacht auf seinem Gesicht zu sehen geglaubt hatte.
Und sie fragte sich, ob er nicht tatsächlich gemeint hatte, was er sagte, und ihm der Vorfall wirklich leid tat.
Nicholas saß über seinen Schreibtisch gebeugt am vierten Entwurf für einen Brief an Sydney Birdsall. Die ersten drei hatte er zusammengeknüllt und in den Papierkorb geworfen.
Verehrter Sydney,
wie wir schon bei unserer letzten Begegnung besprochen haben, wird die Saison der Londoner Gesellschaft bald beginnen. Bei dieser Gelegenheit wäre es wohl angebracht, Elizabeth’ Einführung in die Gesellschaft zu planen und in der Folge auch mit der Suche nach einem Ehemann zu beginnen. Jetzt, nachdem ich sie etwas besser kennengelernt habe, weiß ich, daß sie eine charmante und intelligente junge Frau ist, die einem Partner sehr viel zu bieten hat. Ich glaube kaum, daß es schwer werden wird, einen Anwärter für ihre Hand zu finden. Es könnte sich allerdings als schwierig erweisen, jemanden zu finden, der wirklich zu Elizabeth paßt. Ich möchte gern erfahren, wie Ihr in diesem Zusammenhang vorgeht und was Ihr vorschlagt, wann Elizabeth nach London kommen soll.
Mit meinen besten Wünschen, Euer Freund Nicholas Warring, Graf von Ravenworth
So würde er ihn lassen, dachte Nick, indem er den Brief noch einmal durchlas. Ganz zufrieden damit war er nicht. Er hoffte, Sydney würde zwischen den Zeilen lesen und besonders sorgfältig vorgehen bei seiner Suche nach einem potentiellen Ehemann. Außerdem war es angesichts von Bascombs Besessenheit sinnvoll, den Verlauf der Dinge etwas zu beschleunigen.
Er streute Sand auf das Papier, wartete, bis die Tinte trocken war und versiegelte den Brief, um ihn heute noch abzuschicken. Vielleicht würde er sie dann endlich vergessen können.
Denn was immer er sonst versucht hatte, war sinnlos gewesen.
Elizabeth saß auf der polierten Holzbank in der Kapelle von Ravenworth Hall. Ein vielfarbiges Glasfenster, eine Szene
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