Was dein Herz verspricht
goldblonden Haar, das jetzt kurz geschnitten war, weil sie im Kloster gelebt hatte. Nick fragte sich unwillkürlich, warum er damals nicht gemerkt hatte, welche Versuchung sie für Stephen Bascomb gewesen war.
»Ich nehme nicht an, daß deine Frau daran denkt, zurück nach Hause zu kommen. Aber einen Erben könnte sie dir wenigstens schenken.«
Diese Worte waren von einer so vernichtenden Wahrheit, daß sie ihm weh taten. Seine Schwester war einer der wenigen Menschen, die wußten, wie sehr er sich einen Sohn wünschte. »Die Zeit ist vorbei. Ich fühle nichts mehr für Rachael, und sie fühlt weniger als nichts für mich.«
»Das ist unfair, Nicky. Du hattest dir so sehr eine Familie gewünscht. Ich denke oft daran. Und soviel von dem, was geschehen ist, ist meine Schuld. Wenn ich nur nicht zugelassen hätte, daß Stephen -«
»Hör auf damit. Nichts war deine Schuld. Stephen war ein Mann und du ein Kind. Außerdem ist das jetzt alles Vergangenheit.«
Maggie schüttelte den Kopf. »Mag sein. Aber da ist immer noch die arme Elizabeth. Ich hoffe, Bascomb findet nicht die Möglichkeit, ihr so weh zu tun, wie sein Bruder mir weh getan hat.«
Nick sagte nichts, doch sein Magen zog sich schmerzlich zusammen. Nicht Bascomb hatte Elizabeth die Unschuld genommen - sondern er. Er wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß er irgendwann von sich selbst genauso schlecht denken würde, wie er von Stephen Hampton gedacht hatte.
10
Mercy Brown kam drei Tage später mit der Neuigkeit herein, daß Sydney Birdsall eingetroffen wäre. Elizabeth wurde am späten Nachmittag in Nicholas’ Arbeitszimmer gerufen. Er saß makellos gekleidet hinter seinem Schreibtisch, als sie hereinkam, seine dunkle Haut besonders anziehend aufgrund seines weißen Spitzenhemdes. Er stand auf, als der Butler die Tür geschlossen hatte, und sie sah deutlich die Anspannung in seinem Gesicht. Dazu paßte der unstete Herzschlag, der in ihren Ohren dröhnte.
»Guten Tag, Elizabeth. Gut, daß du kommen konntest.«
Als hätte ich eine andere Wahl gehabt, dachte sie. Als ob du dich wirklich freuen würdest, daß ich hier bin. Er sah unglaublich gut aus und so distanziert, daß es ihr das Herz zusammenzog. Sie hob etwas das Kinn. »Guten Tag, Mylord.«
Sydney kam zu ihr herüber und nahm ihre beiden Hände. »Elizabeth, ich freue mich wirklich, Euch zu sehen.« Er küßte sie auf die Wange, und sie lächelte müde.
»Ich freue mich auch, Euch zu sehen, Sydney.« Das stimmte wirklich. Sie hatte Sydneys tröstliche Nähe vermißt, besonders in den letzten paar Tagen. Ein Blick zu Nicholas, dessen harter Gesichtsausdruck keine Spur weicher geworden war, erweckte in ihr plötzlich das Bedürfnis, sich an Sydneys väterlicher Schulter auszuweinen.
»Ihr habt ein schreckliches Abenteuer hinter Euch«, sagte er und schüttelte sein silbrig glänzendes Haar.
»Ja, das kann man wohl sagen.« Elizabeth fand, ihr größ-
tes Abenteuer war nicht die Entführung gewesen, sondern die Liebesnacht mit Nicholas. »Glücklicherweise kam mir Lord Ravenworth zu Hilfe, bevor wir West Clandon erreicht hatten.«
»Das habe ich gehört. Ich wußte, daß Ihr Euch auf Nicholas verlassen könntet.«
Eine leichte Röte stieg in die dunkle Haut seiner Wangen.
»Er war außerordentlich mutig«, sagte Elizabeth und sah ihn eindringlich an. »Ich war sehr dankbar, daß er rechtzeitig gekommen ist.«
Ravenworth räusperte sich. »Sydney ist hier, weil ich ihm einen Brief geschrieben habe, in dem stand, was Bascombs Leute hier veranstaltet haben.«
»Widerlich.« Sydney schüttelte voller Abscheu den Kopf. »Der Mann ist unmöglich. Aber vielleicht können wir vier - wenn ich richtig verstanden habe, hat auch Lady Margaret ihre Hilfe angeboten - es schaffen, ihm seine Bemühungen endgültig zunichte zu machen.«
»Was Sydney sagen will«, warf Nicholas ein, »ist, daß die Saison in London angefangen hat, und er glaubt, es wäre an der Zeit, daß du in die Gesellschaft eingeführt wirst.«
»Genauso ist es, meine Liebe. Ich habe schon mit mehreren sehr angesehenen jungen Männern gesprochen, die Euch sehr gern kennenIernen möchten. Wenn Ihr dann Eure Wahl getroffen habt und verheiratet seid, werdet Ihr sicher sein vor dem Schuft Bascomb.«
Der Magen drehte sich ihr um. Sie hatte gewußt, daß dieser Moment kommen würde, doch sie war jetzt noch nicht darauf vorbereitet. Sie versuchte nicht, zu Nicholas hinzusehen, konnte aber nicht anders. Er wirkte unverändert steif und
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