Was dein Herz verspricht
beschäftigt. Er war in dieser Woche jede Nacht zu ihr gekommen, hatte sie leidenschaftlich geliebt und war bis zum Morgengrauen geblieben. Sie wußte, daß das sündig war, und dennoch machte es regelrecht süchtig. Jedesmal wenn sie zusammen waren, wuchs seine Anziehung auf sie noch.
Er mochte dieselben Bücher wie sie und konnte ihre Lieblingsgedichte aufsagen. Er ging gern im Garten spazieren. Wenn sie von ihren Vögeln erzählte, schien er nicht gelangweilt, sondern interessiert, bat sie um Beschreibungen und schlug vor, doch Zeichnungen von den Vögeln anzufertigen, die sie beobachtet hatte.
Und doch fehlte noch irgend etwas, irgendein Verbindungsglied, eine Beziehung, wie es sie nur zwischen Ehemann und Ehefrau gab. Vielleicht lag es daran, daß er sie nicht wirklich liebte. Er hatte sie gern, ja. Aber Liebe? Elizabeth versuchte nicht mehr, sich einzureden, daß es das war, was er empfand. Und es war ihr genug, glaubte sie, daß sie ihn liebte.
Sie achtete nicht weiter auf die innere Stimme, die sie eine Sünderin nannte und ihr angst machte, was Freunde wie Sydney oder der Herzog und seine Mutter und sogar Mercy und Elias sagen würden, wenn sie es erst herausfanden.
Mit plötzlich schwer gewordenem Herzen schritt Elizabeth die Treppe zu ihrem Haus hinauf, Elias auf einer, Theo auf der anderen Seite.
Sie blieb unter dem kristallenen Leuchter im Eingang stehen. »Danke, Gentlemen. Es würde mich freuen, wenn wir morgen wieder ausgehen könnten.«
Elias nickte. Falls er es ungewöhnlich fand, daß sie begonnen hatte, jeden Nachmittag zur Kirche zu gehen, ließ er es sich nicht anmerken, und ihr tat die Stille dort gut.
»Ah, da bist du ja«, sagte Tante Sophie auf dem Weg in den Salon. »Ich dachte, du würdest früher zurückkommen.« Sie schien seit ihrer Ankunft in der Stadt noch runder geworden zu sein. Sie brauchte mehr Bewegung, dachte Elizabeth, vielleicht vermißte die Tante Ravenworth ebensosehr wie sie.
»Ich hatte ein paar Einkäufe zu erledigen«, erklärte Elizabeth, während sie neben ihr in den Salon ging. »Und dann bin ich noch kurz in der Kirche der heiligen Maria gewesen. Dort ist es so schön friedlich.«
Tante Sophie runzelte die Stirn. »Gestern und vorgestern warst du auch dort. Ich wußte gar nicht, daß du so fromm bist.«
Elizabeth wandte den Blick ab. »Ich nehme an, bisher hatte ich nie Grund dazu.«
Eine schmale graue Augenbraue hob sich. »Ich wußte nicht, daß du dich so fühlst. Denn sonst hätte ich mir mehr Mühe gegeben, dich von dem Weg abzubringen, den du eingeschlagen hast. Es sieht dir gar nicht ähnlich, Elizabeth, daß du etwas tust, wofür du dich schämst.«
»Tue ich auch nicht - nicht wirklich. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Ich liebe Nicholas. Ich weiß in meinem Herzen, daß es keinen anderen Mann für mich gibt, aber -«
»Aber egal, was du fühlst oder sogar, was er fühlt, er ist eben nicht dein Ehemann. Genaugenommen ist er sogar mit einer anderen verheiratet.«
Ihre Augen brannten. »Ja.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe mir immer wieder eingeredet, daß das unwichtig wäre. Rachael Warring hat ihren Mann vor neun Jahren verlassen. Ich finde, sie hat jetzt keinen Anspruch mehr auf ihn. Sie empfindet nichts für ihn und er nichts für sie.«
»Wenn das alles so ist, warum verbringst du den halben Nachmittag in der Kirche?«
Die mühsam zurückgehaltenen Tränen begannen endgültig zu fließen. »Ich weiß es nicht.« Sie sank aufs Sofa.
»Ich glaube, ich weiß es«, sagte ihre Tante sanft. »Sosehr du Lord Ravenworth auch lieben magst, bist du doch nicht die Frau, die du werden müßtest, um ihn zu halten.«
»Du meinst, seine Geliebte.« Sie haßte es, das Wort auch nur aussprechen zu müssen.
»Genau. Du bist erzogen worden, einmal Ehefrau und Mutter zu sein und ein Heim für deinen Mann und deine Kinder zu gründen. Deine Mutter hatte zwar ihre eigenen seltsamen Vorstellungen, aber das waren nie die deinen. Du bist mehr wie dein Vater, der ein Mann von Würde und Ehre war. Er hätte nie etwas getan, das gegen seine Prinzipien verstieß, und unter den üblichen Umständen würdest du das auch nicht tun.«
Elizabeth’ Brust wurde eng. Sie wischte die Tränen von den Wangen. »Aber dies sind keine üblichen Umstände. Ich liebe einen Mann, der eine Last zu tragen hat, die er nicht tragen dürfte. Er ist entsetzlich einsam, Tante Sophie. Er hat neun Jahre lang gelitten. Ob ich seine Frau bin oder nicht, Nicholas braucht
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