Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
Francesca und Jacques als einzigen Passagieren nach Riad ab. Die saudischen Agenten blieben in Jordanien, um bei der Überstellung der überlebenden Terroristen in die Hauptstadt Amman zu helfen.
Kamal nahm zwei Sitze in Beschlag und bettete Francesca in seinen Schoß. Sie war nach wie vor bewusstlos und atmete flach. Ihr Gesicht war erschreckend blass. Dieses schutzlose, verletzliche Wesen war dem Hass und der Willkür ausgesetzt gewesen. Er hatte sie dem ausgesetzt. Ohnmächtige Wut übermannte ihn, und er hätte seinen Bruder Saud auf langsame, schmerzhafte Weise umgebracht, wenn er ihn vor sich gehabt hätte.
Sie hatten sie geschlagen und gefoltert, man konnte es an den Blutergüssen in ihrem Gesicht sehen, den von den Stricken aufgeschürften Handgelenken und dem getrockneten Blut auf den rissigen Lippen. Er konnte nicht aufhören, sie anzusehen, obwohl er Angst hatte, weitere Anzeichen von Misshandlung an ihr zu entdecken. Ihre Wangen wurden immer bleicher, die violetten Ringe um ihre Augen färbten sich schwarz, und ihre Gesichtszüge waren eingefallen wie bei einer Toten. Das Atmen kostete sie übermenschliche Anstrengung; dieses Röcheln machte ihn schier wahnsinnig. Er nahm ihre Hand und drückte sie an seine Lippen.
»Komm schon, Kamal, trink einen Kaffee, der wird dir guttun«, schlug Jacques vor und reichte ihm eine Tasse.
»Ich bekomme nichts runter.«
»Gib jetzt nicht auf. Sie wird sich bald erholen, du wirst schon sehen.«
»Ich mache mir große Sorgen, mein Freund. Francesca atmet immer flacher. Und sie ist so blass, sie sieht aus wie tot«, sagte er, und seine Stimme zitterte.
Francesca wälzte sich unruhig in Kamals Schoß. Sie wimmerte leise und öffnete dann die Augen.
»Liebling«, flüsterte Kamal und küsste sie auf die Stirn.
Francesca lächelte, und ihre rissigen Lippen sprangen auf. Sie versuchte seinen Namen zu sagen, brachte aber nur einen rauen, unverständlichen Laut heraus.
»Pscht … Nicht sprechen, du darfst dich nicht anstrengen«, bat Kamal.
»Wasser«, hauchte sie.
»Holt Wasser, schnell!«
Kamal hielt ihr das Glas an die Lippen, und sie trank, bis ihr das Wasser aus den Mundwinkeln lief. Sie trank so viel, bis sie schließlich würgen musste und sich erbrach. Vor Scham begann sie zu weinen. Kamal wischte ihr liebevoll den Mund ab und gab ihr erneut zu trinken. Diesmal schmeckte das Wasser nach Wasser und nicht nach Galle. Francesca trank ein paar Schluck, die ihr deutlich machten, dass sie drei lange Tage nichts zu sich genommen hatte. Die Übelkeit kehrte zurück, und ihr Bauch wurde wieder hart.
Es war schwer, sich zu beherrschen, wenn man sie so leiden sah. Kamal wusste nicht, was er tun oder sagen sollte und was er ihr geben konnte, um ihre Schmerzen zu lindern. Diese Situation brachte ihn um den Verstand. Er hatte das schreckliche Gefühl, dass Francesca den Kontakt zur Welt verlor, dass sie seinen Händen entglitt. Er redete mit ihr, versuchte sie wach zu halten, tat alles, damit sie zu sich kam. Aber das Mädchen schloss die Augen und verlor erneut das Bewusstsein.
Über Funk bestellte er einen Krankenwagen an die Landebahn in Riad. Dr. al-Zaki teilte ihm mit, dass in seiner Klinik alles bereit sei, um Francesca aufzunehmen. Kamal konnte nichts weiter tun, als zu beten, dass sie den anderthalbstündigen Flug überstehen würde.
Als sie schließlich in Riad landeten, atmete Francesca noch. Kamal trug das bewusstlose, schlaffe Bündel auf seinen Armen die Gangway hinunter. Abenabó und Kader warteten mit laufendem Motor im Rolls-Royce, um sie zur Klinik zu eskortieren. Jacques wechselte ein paar Worte mit dem Piloten und hastete dann zum Auto, aufgeschreckt von der blutroten Spur, die Kamal auf der Landebahn hinterlassen hatte. Der Prinz war verletzt und hatte nichts davon gesagt.
»Du bist verwundet!«, sagte der Franzose und hielt ihn am Arm zurück.
Entsetzt betrachtete er den Blutfleck, der sich auf der sandfarbenen Hose des Prinzen ausbreitete, und deutete darauf. Aber Kamal wusste sofort, dass das Blut nicht von ihm stammte. Francescas Nachthemd war in Höhe der Oberschenkel blutgetränkt.
»Es ist Francesca«, sagte er verzweifelt.
***
Kamal verschwendete keinen Gedanken an sich; nur unter gutem Zureden hatte man seinen Arm schienen und ihm ein Schmerzmittel verabreichen können. Für ihn zählte nur Francesca. Unruhig lief er im Flur von al-Zakis Klinik auf und ab und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Jacques hatte aufgegeben, ihn zu
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