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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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kräftiger, lebhafter Zuchthengst, edel anzuschauen mit dem neuen Zaumzeug aus Sämischleder. Kamal begutachtete ihn stolz. Seine Angestellten hatten gute Arbeit geleistet. Das Tier sah gesund und gutgepflegt aus. Fadhil, der Stallmeister, der sich mit der Zucht von Araberpferden bestens auskannte, wusste, dass Pegasus für den Herrn etwas Besonderes war – nicht nur, weil sein Wert auf fast eine halbe Million Dollar geschätzt wurde, sondern weil er das letzte Geschenk seines Vaters gewesen war. Es gab immer wieder verlockende Angebote, die der Prinz ohne nachzudenken ausschlug.
    Kamal wechselte ein paar Worte mit Fadhil, der das unruhig tänzelnde Pferd am Zügel hielt, und schickte ihn dann weg. Der Prinz streichelte Pegasus über die Blesse und redete beruhigend auf ihn ein, während er dem Tier Sattel und Zaumzeug abnahm, um ihn näher in Augenschein zu nehmen. Er tastete seinen Rücken ab, ohne Schwielen oder Verletzungen zu finden, untersuchte Hufe und Hufeisen, betastete die Nüstern und schob das Maul auseinander, um seine kräftigen, weißen Zähne zu begutachten. Das lebhafte, energiegeladene Verhalten des Tieres überzeugte ihn endgültig davon, dass es sich in einem untadeligen körperlichen Zustand befand. Schließlich sattelte er das Pferd wieder und saß auf. Als es Kamals Gewicht spürte, stieg es vorne hoch, wieherte und galoppierte los.
    Auf einem Dünenkamm hielt Pegasus an, und Kamal ließ ihn ein wenig ausruhen. Auf dem Rücken seines Pferdes sitzend, betrachtete er die Landschaft, während er seine Gedanken schweifen ließ. Der Schrei eines Falken, der in der Luft seine Kreise zog, riss ihn aus seiner Versunkenheit.
    Im langsamen, gleichmäßigen Schritt ritt er weiter. Die Wüste hatte immer eine erstaunliche Wirkung auf ihn: Hier konnte er durchatmen, sie besänftigte seine Seele und brachte ihn zum Nachdenken. Gleichzeitig erfüllte sie ihn mit einer Kraft, die ihn innerlich stärkte. Er war nun zwar ruhiger, doch Francesca ging ihm nicht aus dem Kopf.
    Seit jenem Abend in der venezolanischen Vertretung in Genf, wo sie ihn mit ihrer südamerikanischen Schönheit verzaubert und mit ihren traurigen Augen gerührt hatte, vernebelte das Verlangen, sie zu besitzen, seinen Verstand.
    Er wollte ihr nahe sein, den Klang ihrer Stimme hören und den Duft ihres Haars riechen, ihre zarten Wangen berühren, ihre schlanke Taille umfassen, ihre Lippen spüren. Er wollte sie langsam ausziehen, ihre Brüste liebkosen, ihren Bauch küssen, sie immer und immer wieder lieben, bis sein Verlangen gestillt war wie der Durst eines Beduinen, der an einer Oase trinkt und sich dann im Schatten einer Palme zum Schlafen legt. Weshalb ertrug er diesen quälenden Durst, der ihm die Sinne raubte? Weshalb nahm er sich nicht einfach von ihr, was er wollte?
    Er fand tausend Gründe: die häufigen Reisen, die Probleme des Landes, seine Geschäfte, der Druck der Familie. Was hielt ihn davon ab, sie zu nehmen, jetzt, da sie in greifbarer Nähe war? Normalerweise kannte er keine Gnade mit seiner Beute, er ließ keine Ausreden gelten und machte sich nicht viel aus Bitten. Aber bei Francesca war das anders. Etwas an ihr zog ihn in seinen Bann, ohne dass er wusste, was es war; etwas, das ihn in eine Art Benommenheit versetzte, die es ihm unmöglich machte, sich so zu verhalten wie sonst.
    ›Sie ist so jung‹, sagte er sich immer wieder. ›Was kann sie mir geben, das ich noch nicht kenne?‹ Vielleicht waren es die Unschuld und die Sanftheit in ihren Augen. Er war es leid zu taktieren, mit Falschheit und Unaufrichtigkeit zu leben, das schmutzige Spiel der anderen mitzuspielen, zu lügen, um zu gewinnen, den Gegner straucheln zu sehen und seine Niederlage zu genießen. In dieser ganzen intriganten Welt erschien ihm Francesca wie eine Oase, wo er ruhig und sicher sein Lager aufschlagen konnte. Weshalb nahm er sie nicht einfach und stillte seinen Durst?
    Er hatte Angst, ihr wehzutun, das war die Wahrheit. Plötzlich empfand er Skrupel. Er wollte ihr nicht wehtun. Und er wusste, dass er sie brandmarkte, wenn er sie an sich band. Er gab dem Pferd die Sporen, und Pegasus jagte im fliegenden Galopp nach Hause.
    Einige Wochen später erfuhr er von Méchin, mit dem er fast täglich in Kontakt stand, dass Mauricio demnächst nach Dschidda kommen würde, weil er an Geschäften mit einigen italienischen Unternehmern interessiert war. Sofort schickte er ihm ein Telegramm, um ihm mitzuteilen, dass er ihn und seine Sekretärin auf seinem

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