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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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setzte. Die Probleme, die tagtäglich in seinem Amtssitz an ihn herangetragen wurden, nahmen ihm die Luft zum Atmen. Saudi-Arabien litt unter grundlegenden Strukturproblemen, die König Abdul Aziz vor seinem Tod nicht mehr hatte lösen können: die brüchige politische Einheit etwa, die durch Beduinenstämme und islamische Sektierer in Gefahr gebracht wurde, die ihre Unabhängigkeit erklärten und eigene Gebiete innerhalb der Landesgrenzen absteckten. Seine größte Sorge waren jedoch die knappen finanziellen Mittel, die ebenso schnell dahinschwanden, wie sie in die Staatskasse flossen. Die vielköpfige Familie al-Saud beanspruchte die Einnahmen aus dem Ölgeschäft und forderte immer höhere Summen, um ihren Lebensstandard halten zu können. Bei diesem Thema, das musste er zugeben, mangelte es ihm an Autorität, um der Verschwendung Einhalt zu gebieten: Sein eigener Lebensstil war der extravaganteste und kostspieligste von allen. Er hatte eine Schwäche für englische Autos – Jaguars, Rolls-Royces und Aston Martins – und liebte das Motorengeheul des Ferraris, den er kürzlich in Maranello gekauft hatte. Er hatte ein Vermögen in Rennpferde investiert und gab viel Geld für Wetten aus, obwohl der Koran das Glücksspiel verbot. Saud überhäufte seine westlichen Geliebten mit Schmuck, stellte ihnen Appartements in den besten Vierteln von Paris und London zur Verfügung und bezahlte anstandslos ihre Rechnungen. Er verbrachte herrliche Urlaube an paradiesischen Orten, wobei er an nichts sparte und keine Kosten scheute.
    Was das anging, hatte Kamal ihm etwas voraus: Sein Privatvermögen basierte nicht nur auf den Beteiligungen aus der Erdölförderung, die ihm zustanden; die Gewinne stammten auch aus der Zucht und dem Verkauf seiner berühmten Pferde, einer einzigartigen Rasse, die äußerst gefragt war wegen ihrer Schönheit und ihrer Schnelligkeit. Die Pferdezucht hatte Kamals Bankkonten in den vergangenen Jahren beträchtlich gefüllt. Wenn der Geldstrom aus der Förderung des Schwarzen Goldes irgendwann versiegte, würde er seinen Lebensstil unverändert beibehalten können.
    Kamal wäre ein äußerst mächtiger Mann, falls er den Thron bestieg, und er war nicht weit davon entfernt, es zu erreichen. Was sollte aus ihm, Saud, werden, wenn man ihn zur Abdankung zwang? Was kam dann? Das Exil? Die Demütigung der Verbannung, die finanzielle Einschränkung und die Schande würde er nicht ertragen. Kamal durfte nicht König werden, dafür würde er sorgen. Ihm kam wieder in den Sinn, wie die Augen seines Bruders geleuchtet hatten, als er die junge Argentinierin ansah. Zum ersten Mal hatte er in sein unergründliches Herz blicken können.
    »Mein Bruder Faisal«, sagte Saud, »hält morgen ein Geheimtreffen in seinem Haus ab, um die Lage im Land zu besprechen. Sie treffen sich morgen früh.«
    »Woher weißt du das? Du wirst ja wohl kaum eingeladen sein«, bemerkte Tariki ironisch.
    »Du weißt doch, ich habe meine Spione überall.« Wütend schlug Saud gegen die Autoscheibe und setzte hinzu: »Diese Bande von Verrätern kann mich nicht einfach so abservieren, als ob ich ein Niemand wäre. Mein Vater hat mich zu seinem Nachfolger ernannt, und ich werde nicht auf den Thron verzichten.«
    Tariki lehnte sich im Sitz zurück und warf dem König einen besorgten Blick zu. Für ihn war Saud al-Saud ein harmloser Geist, den man leicht manipulieren konnte, solange seine Launen erfüllt wurden. Aber so, wie er sich nun aufführte, das Gesicht wie versteinert, die dichten Brauen zu einer einzigen Linie zusammengezogen, war der Minister auf der Hut, denn er war auch sicher, dass Saud ein skrupelloser Mensch war, nicht sehr intelligent zwar, aber mit genügend Geld und gewissenlos genug, um seinen Willen durchzusetzen. Tariki, der alles darangesetzt hatte, Saudi-Arabien dorthin zu bringen, wo es sich heute befand, war nicht bereit, das gewonnene Terrain wegen eines Bruderzwistes verloren zu geben.
    »Was willst du dem Druck deiner Familie entgegensetzen?«, fragte er. »1958 hat uns Kamals Eingreifen vor dem Zusammenbruch bewahrt, das weißt du. Und die Umstände sind heute nicht anders als damals. Du könntest die Zusammenarbeit mit ihm akzeptieren und so die erhitzten Gemüter in deiner Familie besänftigen.«
    »Niemals«, erklärte Saud. »Was kann Kamal, was ich nicht kann?«
    »Zunächst einmal müsstest du eine strikte Kontrolle der Ausgaben und Bezüge durchführen. Dann einen Haushaltsplan für mindestens drei Jahre

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