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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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sprach weiter. »Das Land deines Vaters geht durch die schwerste Krise seit seiner Gründung. Dein Bruder Faisal hat die diesjährige Staatsverschuldung bekanntgegeben und erklärt, dass sie im Vergleich zum Vorjahr alarmierend gestiegen sei. Man erwartet von dir, dass du das Heft in die Hand nimmst. Die Situation in der Familie ist angespannt – gefährlich angespannt, wage ich zu behaupten. Saud wird nicht zulassen, dass man ihn verdrängt. Aber deine Onkel und Faisal sind fest entschlossen, ihn zu entmachten und dich an die Spitze zu heben. Und in diesem ganzen Durcheinander fällt dir nichts Besseres ein, als nach Dschidda zu fahren, um Mauricios Sekretärin zu verführen? Lass das arme Mädchen in Ruhe; sie ist unschuldig und zart wie eine Gazelle. Du wirst sie unglücklich machen, wenn du unter diesen Umständen etwas mit ihr anfängst.«
    ***
    Francesca arbeitete den ganzen Morgen und bis in den Nachmittag hinein mit ihrem Chef zusammen, der damit beschäftigt war, die Ergebnisse des Treffens mit den Italienern zu analysieren und den Bericht zu überarbeiten, den er dem Militärattaché mitgeben wollte, der am nächsten Tag nach Riad zurückfuhr. Die Stunden mit Mauricio erschienen ihr endlos lang, aufgewühlt und übernächtigt, wie sie war. Außerdem kam er ihr ernst und distanziert vor, verärgert vielleicht, und sie machte sich große Gedanken deswegen. Sie war sicher, dass es wegen der kleinen Szene mit Valerie Le Bon war, und wünschte, sie hätte den Mund gehalten.
    Sie war nicht mehr sie selbst, so übermächtig waren ihre Gefühle. Sie entschied sich, einen Ausritt zu machen. Reiten hatte sie immer beruhigt. Sie ließ Fadhil durch eine Dienerin ausrichten, dass sie Nelly reiten wollte, die Stute, die Kamal ihr zur Verfügung gestellt hatte. Sie zog ihr Reitkostüm an und band ihr Haar zum Pferdeschwanz. Dann sah sie auf die Uhr: halb vier. Gestern um diese Zeit war sie mit Kamal durch die Ställe gegangen, wie bezaubert von seiner Stimme, angezogen von seiner Persönlichkeit und beeindruckt von seiner Schönheit. Dann hatte er sie geküsst, ein Kuss, der immer noch auf ihren Lippen und auf ihrem Hals brannte. Sie verließ das Zimmer und ging nichtsahnend in den Salon. Dort traf sie auf Kamal und Valerie, die sehr nahe beieinander auf den Polstern saßen. Der Anblick traf sie wie ein Schlag.
    »Verzeihung«, murmelte sie und rannte blindlings hinaus. Tränen verschleierten ihren Blick, und sie sah kaum, wohin sie lief.
    Der Stallbursche, der Nelly am Zügel führte, erschrak, als Francesca ihm die Reitgerte entriss, sich auf den Rücken der Stute schwang und derart heftig auf das Tier einhieb, dass es sich aufbäumte, bevor es losgaloppierte. Als Kamal dazukam, schaute der Bursche noch immer fassungslos Francesca und der Stute hinterher. »Mach mir Pegasus bereit!«, wies er ihn an.
    Francesca hieb mit der Reitgerte auf Nelly ein, die mit angelegten Ohren vorwärtsjagte. Über den Pferderücken gebeugt, ließ sie sich vom Wind, dem Donnern der Hufe und dem Keuchen des Tieres betäuben, das nun nicht mehr zu halten war. Francesca wusste das und ließ es galoppieren. Sie schloss die Augen, und bei dem Gedanken daran, wie Valerie Kamals Hals umklammert hatte, schossen ihr erneut Tränen der Wut über die Wangen. Sie peitschte noch einmal auf Nelly ein, und das Pferd warf wiehernd den Kopf zurück.
    Pegasus war das schnellste Pferd im Stall. Es dauerte nicht lange, bis Kamal Francesca entdeckte, die bereits die Grenzen des Anwesens hinter sich gelassen hatte und durch die Dünen aufs Meer zupreschte. Er stellte fest, dass die Kräfte der Stute nachließen und der Abstand zwischen ihnen rasch geringer wurde.
    »Francesca, bleib stehen!«, brüllte er. »Bleib stehen, verdammt nochmal!«
    Francesca blickte zurück. Kamal war näher, als sie gedacht hatte. Sie konnte sogar deutlich erkennen, wie wütend er war. Sie hieb heftig auf Nellys Kruppe ein und trieb sie weiter an, aber Pegasus war schneller. Kurz darauf bemerkte sie aus dem Augenwinkel die Nüstern des Hengstes. Kamals Schweigen machte ihr Angst, und sie hatte nicht den Mut, sich noch einmal nach ihm umzudrehen. Obwohl sie wusste, dass er sie bald eingeholt haben würde, ritt sie weiter, um ihm zu zeigen, dass sie ihm nicht gehorchte.
    Kamal ritt ganz nah an Nelly heran und stellte sich in die Steigbügel. Dann beugte er sich zu Francesca herüber, hob sie aus dem Sattel und setzte sie vor sich. Francesca wusste nicht, wie ihr geschah, bis sie

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