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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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Arbeitszimmer zurückzog oder geschäftlich nach Dschidda hineinfuhr, schienen sich die Stunden schier endlos hinzuziehen. Manchmal telefonierte er mehr als eine Stunde lang, auf Arabisch zwar und mit ganz normaler Stimme, doch der Schatten, der dabei auf seinem Gesicht lag, verriet ihr, dass sein Leben nicht nur eitel Sonnenschein war. Wenn sie ihn danach fragte, hüllte er sich in Schweigen. Er war außerordentlich geschickt darin, Fragen auszuweichen und das Thema zu wechseln. Bei einem Nachmittagsausritt auf dem Grundstück versuchte sie ihn dazu zu bringen, ihr mehr zu erzählen.
    »Was bedrückt dich?«, fragte Kamal.
    »Nichts. Ich will mehr über dein Leben erfahren, nachdem du ja alles über meines zu wissen scheinst.«
    Kamal stieg ab und nahm Pegasus am Zügel, bevor er ihr half, von Nelly abzusteigen. Dann gingen sie zu dem Platz, wo die Stallburschen die Pferde bürsteten und striegelten. Francesca wusste nicht, ob er ihr antworten oder sich wie immer in Schweigen hüllen würde. Plötzlich blieb Kamal stehen und sah sie an.
    »Es gibt Themen, in die ich dir nie Einblick gewähren werde«, erklärte er ernst. »Nicht, weil ich dir misstraue oder denke, dass du sie nicht verstehen würdest. Ich vertraue dir mehr als mir selbst und weiß, dass du eine äußerst kluge Frau bist. Trotzdem will ich dich von gewissen Dingen fernhalten. Es ist nur zu deinem Schutz.«
    »Zu meinem Schutz? Soll das heißen, dass du in Gefahr bist?«
    »Wer ist das nicht? Kann irgendjemand behaupten, das Leben sei ihm sicher?«
    »Komm mir nicht mit deinen Weisheiten«, regte sich Francesca auf. »Du weißt genau, was ich meine.«
    »Das ist alles, was du über mich wissen musst«, sagte Kamal. Ohne sich um die Anwesenheit der Stallburschen zu scheren, fasste er sie um die Taille und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss.
    ***
    Kamal behandelte sie wie die Hausherrin. Das Personal bediente sie voller Hochachtung und gehorchte ihr mit absoluter Bedingungslosigkeit, abgesehen von Sadun, der ihr aus dem Weg ging und sie kaum grüßte. In Gegenwart von Dubois und Méchin war Kamal zuvorkommend und aufmerksam und vermied es, sie mit Beweisen seiner Leidenschaft in Verlegenheit zu bringen. Sein ganzes Verhalten hatte nur das eine Ziel: dass es ihr gutging und sie sich wohl fühlte. Es kam Francesca so vor, als ob all seine Gedanken nur ihr galten. Sie besuchten den Bazar von Dschidda, wo Kamal seine Großzügigkeit unter Beweis stellte und das Geld mit vollen Händen ausgab. Je mehr sich Francesca sträubte, desto mehr kaufte er ihr. Sie aßen in einem traditionellen Restaurant zu Mittag, dann sahen sie sich die Stadt an. Kamal schwärmte für den alten Teil von Dschidda, der sich wesentlich von den modernen Vierteln unterschied, in denen der Einfluss der westlichen Architektur nicht zu übersehen war. Typisch für die Altstadt, die Kamal oft mit seinem Vater besucht hatte, waren die schmalen, weiß gekalkten Gässchen mit ihren zwei- bis dreistöckigen Häusern und den kleinen Kramläden. Ihr fielen die vorstehenden Erkerfenster an den Häusern auf. Sie waren aus bunt bemaltem Holz und vollständig vergittert.
    »Sie sind so konstruiert«, erklärte er, »dass man hinausschauen kann, ohne gesehen zu werden.«
    Diese Worte riefen ihr jenen Morgen in Riad in Erinnerung, als Malik sie zum Bazar gefahren hatte und sie hinter einem vergitterten Fenster dieses traurig glänzende Augenpaar erahnt hatte. Sah so ihre Zukunft an der Seite eines muslimischen Mannes aus? Würde sie durch ein Fenster nach draußen sehen müssen, ohne gesehen zu werden? Sie wollte sich nicht länger mit dem Gedanken an ein so bitteres Schicksal befassen, wo Kamal doch so anders auf sie wirkte. Trotzdem fragte sie ihn lieber nicht, weil sie sich vor der Antwort fürchtete. Schließlich gehörte er dieser Welt an und respektierte und achtete ihre Gesetze.
    ***
    Eines Abends kam Francesca die Treppe hinunter und sah Mauricio im Salon sitzen und lesen. Sie betrachtete ihn von der Tür aus und fragte sich, ob er wohl wusste, dass Kamal hinter ihrer Versetzung nach Riad steckte. Sie erinnerte sich an seine Reaktion, als er in der Personalakte gelesen hatte, dass sie erst einundzwanzig war, und daran, was er dann gesagt hatte: »Eigentlich sollte jemand anders kommen, aber im letzten Moment, ich weiß nicht, warum, hat man sich für dich entschieden.« Es deutete alles darauf hin, dass er nichts mit den Manövern seines Freundes zu tun hatte.
    Sie grüßte ihn. Mauricio

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