Was der Hund sah
im Klassenzimmer zu haben. Wie kam das? Kounin sah sich das Video erneut an und stellte fest, dass 45 Sekunden zuvor Lucy und John miteinander getuschelt hatten. Robert hatte das gesehen und mitgeflüstert. Darauf kicherte Jane und sagte etwas zu John. Dann flüsterte Mary ihrer Nachbarin Jane etwas ins Ohr. Es war eine ansteckende Kette von störenden Verhaltensweisen, und die Lehrerin schritt erst am Ende ein, statt sie von Anfang an zu unterbinden. Kounin meint, Lehrer benötigten die Fähigkeit, »den Kindern nicht durch Worte, sondern durch ihr Verhalten zu kommunizieren, dass sie immer wissen, was die Kinder tun, und dass sie buchstäblich sehen können, was hinter ihrem Rücken passiert.« Eine gute Lehrerin muss diese Fähigkeit mitbringen. Doch woher weiß man, ob sie diese hat oder nicht, bevor sie vor einem Klassenzimmer mit 25 unruhigen Janes, Lucys, Johns und Roberts steht und für Ordnung sorgen soll?
6.
Kaum ein Beruf hat das Quarterback-Problem so ernst genommen wie die Branche der Finanzberater. Ihre Erfahrungen bieten nützliche Hinweise für die Schule. Als Finanzberater muss man nicht mehr als einen Hochschulabschluss mitbringen. Finanzunternehmen suchen nicht nach den besten Absolventen und verlangen keine weiterführenden Diplome. Da niemand weiß, wer als Finanzberater erfolgreich sein wird und wer nicht, öffnet die Branche die Türen.
»Ich frage gern: ›Beschreiben Sie mir einen typischen Tagesablauf.««, sagt Ed Deutschlander, Vorstand der North Star Resource Group in Minneapolis. »Wer mir antwortete: ›Ich stehe um halb sechs auf, gehe ins Fitnessstudio, von da in die Bibliothek, dann besuche ich meine Kurse, arbeite und lerne bis elf‹, der hat eine Chance.« Deutschlander sucht also dieselben Eigenschaften wie die meisten Headhunter.
Deutschlanders Unternehmen hat im vergangenen Jahr 1 000 Bewerber zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Davon wurden 49 genommen, also etwa jeder zwanzigste. Die Bewerber mussten ein vier- monatiges »Trainingslager« absolvieren, in dem sie sich wie Finanzberater verhalten sollten. »In diesen vier Monaten sollten sie mindestens zehn Klienten akquirieren«, erklärt Deutschlander. »Wer in vier Monaten zehn Klienten bekommen und pro Woche zehn Gespräche führen kann, der hat in vier Monaten einhundert Menschen kennen gelernt. Damit ist er oder sie schnell genug, um dieses Spiel mitzuspielen.«
Von den 49 Bewerbern, die ins Trainingslager eingeladen wurden, erreichten 23 das gesteckte Ziel und wurden als Finanzberater eingestellt. Dann begann die eigentliche Auswahl. »Selbst bei Spitzenleuten kann man erst nach drei oder vier Jahren sagen, ob sie es schaffen oder nicht«, sagt Deutschlander. »Am Anfang kratzt man nur an der Oberfläche. Nach vier Jahren bleiben vermutlich noch 30 oder 40 Prozent übrig.«
Leute wie Deutschlander werden gelegentlich als Türsteher bezeichnet, weil sie entscheiden, wer in eine Branche hineinkommt und wer nicht. Doch Deutschlander sieht seine Aufgabe darin, diese Tür so weit wie möglich zu öffnen: Um zehn neue Berater zu finden, ist er bereit, tausend Vorstellungsgespräche zu führen. Auf Football übertragen würde das bedeuten, die Profiteams sollten aufhören, den einen perfekten College-Quarterback zu finden, und stattdessen drei oder vier gute Kandidaten ausprobieren.
In der Schule haben diese Erkenntnis noch sehr viel weiterreichende Auswirkungen. Es genügt nicht, die fachlichen Anforderungen heraufzusetzen. Im Gegenteil, sie sollten gesenkt werden, denn es hat keinen Sinn, Standards zu erhöhen, wenn diese keine Auswirkungen auf das haben, was wir eigentlich erreichen wollen. Der Lehrerberuf sollte allen offenstehen, die Leidenschaft und einen Studienabschluss mitbringen. Das heißt, Lehrkräfte sollten beurteilt werden, nachdem sie die Arbeit aufgenommen haben, nicht vorher. Der Lehrberuf sollte mit einer Art Trainingslager beginnen, in dem Bewerber bewertet und aussortiert werden. Kane und Staiger haben ermittelt, dass angesichts der enormen Leistungsunterschiede vermutlich vier Kandidaten getestet werden müssen, um eine gute Lehrkraft zu finden. Das bedeutet, dass Festanstellungen nicht wie heute üblich einfach vergeben werden. Auch die starre Besoldungsstruktur müsste flexibler gestaltet werden, wenn Lehrkräfte nach ihrer Leistung beurteilt werden sollen. Einsteiger sollten Einstiegsgehälter bekommen. Doch wenn wir Lehrkräfte finden, die in einem Schuljahr den Stoff von anderthalb Jahren
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