Was der Hund sah
wir den Brustkrebs noch immer nicht verstehen, dann ist das Unsinn«, erklärt Pike. Er ist Mitte sechzig, stammt ursprünglich aus Südafrika und hat einen grauen Bart. Neben Henderson ist er einer der führenden Krebsforscher, doch niemand würde ihn je beschuldigen, er halte mit seinen Ansichten hinterm Berg. »Wir verstehen den Brustkrebs ganz ausgezeichnet. Genauso gut wie Zigaretten und Lungenkrebs.«
Was Pike in Japan entdeckte, ließ ihn über die Pille nachdenken, denn eine Tablette, die den Eisprung unterdrückte - und mit ihm den monatlichen Östrogen- und Progesteronschub -, war potenziell ein wirkungsvolles Medikament zur Vorbeugung gegen Brustkrebs. Doch die Brust unterschied sich von den Reproduktionsorganen. Progesteron hemmte Eierstockkrebs, weil es den Eisprung unterband. Es verhinderte Gebärmutterkrebs, weil es der stimulierenden Wirkung des Östrogens entgegenwirkte. Doch in Brustzellen konnte Progesteron nach Ansicht von Pike nicht die Lösung sein, denn es war eines der Hormone, das die Zellteilung förderte . Deshalb kamen die Forscher nach jahrelangen Untersuchungen der Pille zu dem Schluss, dass diese das Brustkrebsrisiko weder vergrößert noch verkleinert: positive und negative Auswirkungen halten sich die Waage. John Rock pries die Pille, weil sie Progesteron verwendete, denn dieses Hormon war das körpereigene Verhütungsmittel. Doch Pike konnte nichts »Natürliches« daran entdecken, die Brust einer hohen Progesteron-Dosis auszusetzen. Seiner Ansicht nach waren für ein wirkungsvolles Verhütungsmittel mehr Östrogen und Progesteron erforderlich, als für ein gesundes Reproduktionssystem gut war; diese Dosis ging mit einer unnötigen Erhöhung des Brustkrebsrisikos einher. Eine wirklich natürliche Pille müsste den Eisprung ohne den Einsatz von Progesteron verhindern. In den achtziger Jahren war Pike wie besessen von dieser Vorstellung. »Wir haben nach Möglichkeiten gesucht, die Pille zu verbessern. Tag und Nacht haben wir daran gearbeitet.«
4.
Pike fand eine Lösung in einer Chemikalie, die als GnRHA bekannt ist und bereits vor vielen Jahren entdeckt wurde. GnRHA unterbricht die Signale, mit der die Hirnanhangdrüse die Produktion von Sexualhormonen anregt. »Wir haben umfassende Erfahrungen mit dieser Substanz gesammelt«, sagt Pike. Männer mit Prostatakrebs werden gelegentlich mit GnRHA behandelt, um die Produktion von Testosteron, das zum Tumorwachstum beitragen kann, zeitweise zu stoppen. Mädchen, deren Pubertät vorzeitig - zum Teil im Alter von sieben oder acht Jahren - einsetzt, erhalten die Substanz, um eine frühzeitige Geschlechtsreife zu verhindern. Wenn Frauen im gebärfähigen Alter Gn- RHA erhalten, produzieren ihre Ovarien kein Östrogen und Progesteron mehr. Wenn die konventionelle Pille den Körper überzeugt, er sei ein bisschen schwanger, dann suggeriert ihm Pikes Pille, er sei in der Menopause.
Pike will GnRHA in einem Sprühfläschchen mit Zerstäuber auf den Markt bringen. Die Substanz soll in die Nase gesprüht werden, um über die Schleimhäute schnell vom Körper aufgenommen zu werden. Eine Dosis am Morgen versetzt den Körper vorübergehend in die Menopause. Natürlich hat auch die Menopause ihre Risiken. Frauen benötigen Östrogen zum Erhalt von Herz und Knochen, und sie benötigen Progesteron, um den Uterus gesund zu erhalten. Also will Pike diese Hormone wieder zuführen, um diesen Problemen entgegenzuwirken, wenn auch in sehr viel geringerer Dosierung als die heutige Pille. Idealerweise sollten die Frauen die Östrogendosis flexibel auf ihre Bedürfnisse anpassen können. Das Progesteron sollte in Zeiträumen von vier mal zwölf Tagen verabreicht werden. Nach dem Ende der Progesterongabe hätten Pikes Patientinnen eine von vier jährlichen Perioden.
Zusammen mit den Onkologen Darcy Spicer und John Daniels gründete Pike ein Start-up mit dem Namen Balance Pharmaceuticals. Das Unternehmen ist in einem kleinen, weißen Industriezentrum an der Stadtautobahn von Santa Monica untergebracht. Eine der Nachbarfirmen ist ein Farbgeschäft, die andere sieht aus wie ein Exportunternehmen. Die Büros von Balance befinden sich in einer überdimensionierten Garage mit einem riesigen Rolltor und Betonfußboden.
»Als ich Darcy Spicer vor einigen Jahren kennen gelernt habe, hat er gesagt, warum probieren wir’s nicht einfach aus?«, erzählt Pike am Konferenztisch in der Garage sitzend. »Mithilfe von Mammografien können wir Veränderungen in den Brüsten
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