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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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eher Sorgen machen.«
    JonBee nähert sich und beschnüffelt ihn. Cesar legt ihm eine Leine um. JonBee beobachtet Cesar nervös und stöbert herum. Dann führt Cesar ihn ins Wohnzimmer. Scott legt ihm einen Maulkorb an. Cesar will den Hund dazu bringen, sich auf die Seite zu legen, und in diesem Moment bricht die Hölle los. JonBee windet sich, schnappt, zuckt, rotiert, springt und kämpft. Er reißt sich den Maulkorb herunter und beißt Cesar. Rasend vor Wut springt er in die Luft. Der Kampf zwischen beiden dauert eine ganze Weile. Patrice hält sich die Augen zu. Cesar bittet sie, das Zimmer zu verlassen. Er steht auf und hält die Leine weit von sich. Er sieht aus wie ein Tierbändiger, der eine besonders bissige Klapperschlange zähmt. Der Schweiß läuft ihm in Strömen über das Gesicht. Schließlich bringt Cesar das Tier dazu, sich erst zu setzen und schließlich auf die Seite zu legen. JonBee sinkt zu Boden. Cesar krault ihm den Bauch. »Mehr wollten wir doch gar nicht«, sagt er.
    Was passierte da zwischen Cesar und JonBee? Eine Erklärung wäre, dass hier zwei Alphamännchen einen Kampf ausgetragen haben. Aber Kämpfe kommen nicht von ungefähr. JonBee hat auf irgendetwas reagiert, was Cesar tat. Ehe er angriff, beschnüffelte und beobachtete er Cesar. Letzteres ist besonders wichtig, denn nach allem, was wir über Hunde wissen, können wir vermuten, dass Hunde mehr als jedes andere Tier menschliche Bewegungen studieren.
    Der Anthropologe Brian Hare hat verschiedene Experimente mit Hunden durchgeführt. Beispielsweise legt er einen Keks unter eine von zwei Tassen und stellt diese in einem Abstand von einem Meter auf dem Boden. Der Hund weiß, dass er eine Belohnung bekommen kann, doch er weiß nicht, unter welcher der beiden Tassen sich diese befindet. Dann zeigt Hare auf die rechte Tasse und sieht sie direkt an. Und was passiert? Der Hund sucht jedes Mal unter der richtigen Tasse. Als Hare dasselbe Experiment mit Schimpansen durchführte - einer Art, die 98,6 Prozent unserer Gene teilt -, verstanden diese den Hinweis nicht. Ein Hund sieht uns an, um unsere Hilfe zu bekommen, ein Schimpanse nicht.
    »Primaten verstehen die Hinweise ihrer eigenen Spezies«, erklärte Hare. »Wenn wir ein ähnliches Experiment durchführen würden, in dem ein Schimpanse den Hinweis gibt, dann würden sie ihn vermutlich besser verstehen. Wenn Menschen versuchen, mit Schimpansen zu kommunizieren, dann verstehen sie diese nicht. Aber Hunde achten ganz genau auf Menschen, wenn diese Informationen über Dinge kommunizieren, die sie wollen könnten.« Das heißt nicht, dass Hunde intelligenter sind als Schimpansen; sie haben lediglich eine andere Einstellung uns Menschen gegenüber. »Hunde haben großes Interessen an Menschen«, fuhr Hare fort. »Das artet schon fast in Besessenheit aus. Für Hunde sind wir wie ein großer Tennisball auf zwei Beinen.«
    Ein Hund achtet beispielsweise ganz genau darauf, in welche Richtung sich unser Körper neigt. Nach hinten oder nach vorn? Wenn wir uns vorbeugen, könnte diese eine Aggression darstellen. Wenn wir uns dagegen zurücklehnen - und sei es nur einen Zentimeter weit -, dann empfinden sie dies nicht mehr als bedrohlich. Wenn wir den Kopf ein wenig auf die Seite neigen, ist der Hund entwaffnet. Sehen wir ihn dagegen direkt an, ist das wie ein rotes Tuch. Wenn wir uns aufrecht hinstellen und die Schultern anspannen, hört unser Hund eher auf einen Befehl, als wenn wir die Schultern hängen lassen. Wenn wir ruhig und gleichmäßig atmen, können wir eine Anspannung lösen, aber wenn wir die Luft anhalten, können wir sie zum Ausbruch bringen. »Sie schauen auf unsere Augen, sie beobachten, wohin wir blicken und wie unsere Augen aussehen«, erklärt die Verhaltensforscherin Patricia McConnell von der University of Wisconsin. »Bei Hunden sind weit geöffnete Augen und vergrößerte Pupillen ein Zeichen der Erregung und der Aggression. Sie achten sehr genau darauf, ob unser Gesicht und unser Gesichtsmuskeln entspannt sind, weil das unter Hunden wichtige Zeichen sind. Ist der Kiefer entspannt? Ist der Mund ein wenig geöffnet? Dann die Arme. Sie achten sehr genau darauf, was wir mit unseren Armen anstellen.«
    In ihrem Buch Das andere Ende der Leine erklärt McConnell eine der häufigsten Interaktionen zwischen Hund und Mensch - die Begegnung zweier angeleinter Hunde beim Spaziergang. Wir halten dies für eine Art Kräftemessen zwischen den beiden Tieren. Doch McConnell erklärt, zuerst

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