Was der Hund sah
er bei einem Kampf mit einem anderen Hund verloren. Aber sehen Sie ihn sich jetzt mal an.« Der Hund stupste eine französische Bulldoge an. Er war glücklich, genau wie der Labradorkiller aus Beverly Hills, der ausgestreckt in der Sonne lag, und der aggressive Bluthund, der mit heraushängender Zunge in der Nähe eines Picknicktischs herumlungerte. Cesar stand inmitten des Rudels, aufrecht, die Schultern gespannt. Es war ein Gefängnishof, doch es war das friedlichste Gefängnis von ganz Kalifornien. »Es geht nur darum, dass alle ruhig und brav bleiben, egal was passiert«, sagte er. »Was Sie hier sehen ist eine Gruppe von Hunden, die alle auf der gleichen Wellenlänge sind.«
Cesar Millan ist der Star der Fernsehserie Dog Whisperer des Senders National Geographic. In jeder Folge sucht der Hundeflüsterer einen Schauplatz des Chaos auf und stellt Ruhe und Ordnung her. Er ist der Lehrer, den wir alle aus der Schule kennen, der ein Klassenzimmer voller herumtobender Kinder betritt und dafür sorgt, dass sich alle hinsetzen und beruhigen. Was hatte dieser Lehrer? Wenn man uns damals gefragt hätte, dann hätten wir vielleicht gesagt, dass wir uns bei Mr. Exley benahmen, weil Mr. Exley viele Regeln hatte und streng war. Aber wir haben uns auch bei Mr. DeBock ruhig verhalten, obwohl der überhaupt nicht streng war. In Wirklichkeit hatten beide etwas schwer definierbares, das man als Präsenz bezeichnen könnte. Und wenn man eine Klasse unbändiger Zehnjähriger unterrichten, ein Unternehmen führen, eine Armee befehligen oder ein Haus in Mission Hills betreten will, dessen Bewohner von einem Beagle namens Sugar terrorisiert werden, dann sollte man diese Eigenschaft mitbringen oder man geht unter.
Hinter dem Zentrum für Hundepsychologie, zwischen dem rückwärtigen Zaun und dem Nachbargebäude, hat Cesar einen Hundespielplatz eingerichtet - eine Wiese von der Länge eines Straßenzugs. Als die Hunde sahen, dass Cesar auf das Tor zuging, liefen sie erwartungsfroh auf ihn zu und drängten mit freudig wedelnden Schwänzen durch das Gatter. Cesar trug eine Tasche voller Tennisbälle über der Schulter. Er holte einen Ball heraus und warf ihn mit einer weichen Bewegung gegen die Wand einer benachbarten Lagerhalle. Ein Dutzend Hunde rannte in wilder Jagd hinterher. Cesar drehte sich um und warf einen zweiten Ball in die entgegengesetzte Richtung, dann einen dritten, einen vierten, und so weiter, bis so viele Bälle in der Luft und auf dem Boden waren, dass sich das Rudel in ein jaulendes, heulendes, kläffendes, springendes und jagendes Durcheinander verwandelt hatte. Wuff. Wuffwuffwuff. Wuff.
»Wir spielen fünf, zehn, fünfzehn Minuten«, erzählte Cesar. »Sie fangen an. Und Sie hören auch wieder auf. Und Sie sagen nicht: ›Hört jetzt bitte auf.‹ Sie geben den Befehl zum Aufhören.« Damit stellte sich Cesar kerzengerade hin und stieß einen kurzen Pfiff aus. Kein beiläufiges Pfeifen, sondern einen autoritären Pfiff. Plötzlich war es absolut still. Alle 47 Hunde hörten auf zu springen und zu rennen und standen so still wie Cesar, die Augen auf den Anführer des Rudels gerichtet. Cesar nickte fast unmerklich in Richtung des Hofs, und alle 47 Hunde drehten sich um und trotteten glücklich durch das Tor zurück.
3.
Im Herbst 2005 drehte Cesar eine Episode von Dog Whisperer im Haus von Patrice und Scott in Los Angeles. Die beiden hatten einen koreanischen Jindo namens JonBee, den sie auf der Straße aufgelesen und bei sich aufgenommen hatten. Auf Spaziergängen gab sich JonBee wohlerzogen und zutraulich. Aber im Haus war er ein Schrecken und fiel über Scott her, wenn dieser ihn bändigen wollte.
»Helfen Sie uns, diese wilde Bestie zu zähmen«, flehte Scott Cesar an. »Wir hatten schon zwei Hundetrainer hier. Einer hat diese Dompteursnummer gemacht, er hat JonBee im Hof auf den Rücken gelegt und auf den Boden gedrückt, damit er sich unterwirft. Das ging zwanzig Minuten lang so, aber JonBee hat nicht nachgegeben. Als der Typ losgelassen hat, hat ihn JonBee viermal gebissen. Der Typ hat geblutet, an den Händen und den Armen. Wir haben einen anderen Trainer geholt, und der hat gesagt: ›Seht zu, dass ihr den Hund loswerdet.««
Cesar geht nach draußen, um JonBee kennen zu lernen. Nach ein paar Schritten geht er neben dem Hund in die Hocke. »Der Besitzer macht sich ein bisschen Sorgen, dass ich allein hier rauskomme«, sagt er. »Aber mir sind aggressive Hunde lieber als ängstliche. Bei denen muss man sich
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